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Umfrage unter ausländischen Fachkräften

Mehrheit der ausländischen Fachkräfte würde Finnland verlassen, sollten die neuen Pläne der Regierung in Kraft treten

Ausländische Fachkräfte in Finnland wehren sich gegen die einwanderungsfeindlichen Pläne der neuen konservativ-rechtspopulistischen Regierung, die das Vorhaben verfolgt, Ausländern die arbeitsbezogene Einwanderung und den Aufenthalt in Finnland zu erschweren.

Fachkräfte Finnland Arbeitserlaubnis
Die Organisation „Specialists in Finland“ protestierte im September vor dem finnischen Parlament. (Foto: Foreign Specialists in Finland)
Die Mehrheit der ausländischen Fachkräfte würde Finnland verlassen, wenn die neuen Pläne für die Einwanderungspolitik des Premierministers Petteri Orpo und seiner Regierung umgesetzt werden würden.

Die am Montag veröffentlichte Umfrage mit dem Titel „Impact of PM Orpo’s government program on Finnish International Workforce“ (Auswirkungen des Regierungsprogramms von Premierminister Orpo auf die internationalen Arbeitskräfte Finnlands) wurde von einer Organisation namens „Specialists in Finland“ durchgeführt.

Die Gruppe beschreibt sich selbst als „eine selbstfinanzierte und überparteiliche Basisgruppe internationaler Fachkräfte, die Spezialisten und Fachkräfte mit höherer Ausbildung oder Qualifikationen vertritt“. Sie organisierte bereits im Juni in Helsinki einen Protest gegen die von der Regierung vorgeschlagenen Änderung der Einwanderungspolitik.

Die Umfrage wurde zwischen Juni und August über ein Google-Formular an Einwanderer in den sozialen Medien verteilt und erhielt insgesamt 651 Antworten. Die Umfrage war anonym und erfasste keine Informationen wie Alter, Geschlecht oder Herkunftsland der Befragten, schreibt das finnische Nachrichtenportal Yle heute.

Die Ergebnisse zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Befragten innerhalb der letzten fünf Jahre nach Finnland gezogen ist, und etwa die Hälfte gab an, dass der Grund für die Einwanderung eine spezialisierte Stelle in einem in Finnland ansässigen Unternehmen gewesen sei.

Mehr als 90 % der Befragten haben einen Hochschulabschluss, und die meisten waren berufstätig, meist im Technologiesektor, und verdienten mehr als 3.500 Euro pro Monat, schreiben die Organisatoren der Umfrage in einem Bericht zur Erhebung.

Die neuen Pläne der finnischen Regierung für die Einwanderungspolitik zusammengefasst

Das am 20.6.2023 veröffentlichte Programm der Regierung enthält einen politischen Aktionsplan mit vorgeschlagenen Gesetzesänderungen für die nächste Regierungsperiode, speziell die Einwanderungspolitik betreffend.

Der die Migrationspolitik betreffende Abschnitt schlägt eine Reihe von Änderungen in der Einwanderungspolitik vor, die hauptsächlich darauf abzielen „alle Bedingungen zu verschärfen, um nach Finnland zu kommen, hier zu bleiben und in Finnland zu leben“.

Diese Änderungen zusammengefasst:

  1. Arbeitsbasierte Aufenthaltsgenehmigungen werden stärker an die Arbeit gebunden. Ein obligatorisches System wird geschaffen, bei dem arbeitsbezogene Aufenthaltsgenehmigungen im Falle der Arbeitslosigkeit aufgehoben werden und der Inhaber Finnland nach drei Monaten Arbeitslosigkeit verlassen muss, wobei die Betroffenen stärker überwacht werden als bisher.

  2. Die Kriterien für die Erteilung einer Daueraufenthaltsgenehmigung werden verschärft. Die Aufenthaltsdauer wird auf 6 Jahre erhöht, bleibt aber bei 4 Jahren für Gutverdiener, Inhaber von Master-Abschlüssen, die in Finnland anerkannt sind, oder für diejenigen, die „besonders gute Sprachkenntnisse“ haben.

  3. Die Kriterien für die Erlangung der finnischen Staatsbürgerschaft werden verschärft. Die allgemeine Aufenthaltsdauer-Pflicht wird auf 8 Jahre angehoben und die Anzahl der erlaubten Abwesenheiten während des Aufenthaltes wird reduziert.

Die zentralen Ergebnisse der Umfrage:

  1. Die 3-monatige Begrenzung der Zeit zwischen zwei Arbeitsstellen und die 8-jährige Aufenthaltsdauer für die Staatsbürgerschaft sind die kritischsten Teile des Programms, wobei im Grunde das ganze Programm abgelehnt wird.

  2. 61 % aller Befragten, die mit einer arbeitsbezogenen Aufenthaltserlaubnis in Finnland leben und eine Phase der Arbeitslosigkeit erlebt haben, hätten innerhalb der vorgeschlagenen 3-Monats-Frist keine neue Beschäftigung gefunden (dies gelang lediglich 32 % der Befragten mit arbeitsbasierter Aufenthaltserlaubnis).

  3. 69,5 % der Umfrageteilnehmer würden erwägen, Finnland zu verlassen, wenn die neuen Maßnahmen in ihrer jetzigen Form in Kraft treten würden.

In einem Offenen Brief schreibt die Organisation: „Anstatt unseren Beitrag und die Notwendigkeit, qualifizierte Fachkräfte anzuziehen und zu halten, anzuerkennen, behandelt uns die neue Regierung als lästige Personen.“

Weiter heißt es: „Man hat den Eindruck, dass die Regierung die Schwierigkeiten der finnischen Unternehmen bei der Anwerbung von Fachkräften außer Acht lässt und sich einem populistischen Narrativ hingibt. Dieser Politikwechsel gefährdet die Fähigkeit Finnlands, weltweit um Talente zu konkurrieren, und benachteiligt unser Land gegenüber anderen wohlhabenden Nationen wie Deutschland und den Niederlanden. Wir sind besorgt, dass Finnland Gefahr läuft, die Chance zu verpassen, das Potenzial dieser wertvollen Menschen zu nutzen, was letztlich das Wachstum der eigenen Wirtschaft behindert.“

In einer Pressemitteilung fordert „Specialists in Finland“ die Regierung außerdem auf, die dreimonatige Arbeitslosenfrist zu ändern oder zu verlängern und ihre Pläne zur Verlängerung der Aufenthaltsdauer vor der Beantragung der Staatsbürgerschaft fallen zu lassen.

„Die Regierung sollte erwägen, das Programm so anzupassen, dass die dauerhafte Niederlassung nicht unnötig erschwert oder unattraktiv wird. Wenn Änderungen vorgenommen werden, sollten sie insbesondere Anreize und Belohnungen für die Bemühungen um Integration und Teilnahme am Arbeitsmarkt bieten“, heißt es in der Mitteilung.

In einer Anfang des Jahres vom Wirtschaftsforschungsinstitut Etla durchgeführten Studie wurde festgestellt, dass Finnland seine Nettozuwanderung in den nächsten zehn Jahren jährlich verdreifachen müsste, um die immer größer werdende Lücke im Verhältnis zwischen Menschen im erwerbsfähigen Alter und ihrem Nachwuchs zu schließen.

Das finnische Wirtschaftsforschungsinstitut Etla errechnete Anfang des Jahres, dass eine jährliche Nettozuwanderung von 44.000 Personen erforderlich ist, um die Zahl der in Finnland benötigten Arbeitskräfte zu stabilisieren. – Dies entspräche einer Einwanderung, die drei Mal so hoch sein müsste als bisher.

Die finnische Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten, Petteri Orpo, besteht aus einer Vier-Parteien-Koalition, darunter auch die populistische, nationalistische und einwanderungsfeindliche Partei „Wahre Finnen“, kam im Sommer an die Macht.

Innerhalb der noch kurzen Regierungszeit ist Orpos Kabinett vor allem durch politische Skandale und Steurerleichterungen für Besserverdiener aufgefallen.

Kritik aus der Wirtschaft

Kritik an den Plänen der Regierung kommt auch aus der Wirtschaft.

Der Geschäftsführer von Relex, Mikko Kärkkäinen, sagte dazu: „Wir sind der Meinung, dass die jüngsten Vorschläge zur finnischen Migrationspolitik geschätzten RELEXianern, die glücklicherweise Finnland als ihre Heimat gewählt haben, schaden könnten.“

Hanna Raeluoto, Geschäftsführerin von Flowhaven, sagte: „Finnland braucht internationale Talente. Start-ups und Wachstumsunternehmen brauchen internationale Talente. Es ist jetzt schon schwer genug, Fachkräfte davon zu überzeugen, nach Finnland zu ziehen, um dort zu arbeiten – wir sollten es nicht noch schwerer machen.“

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