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Schädlich? Unbedenklich? Etwas dazwischen?

Norwegen: Forscher finden Tausende unbekannte Chemikalien in Lebensmittelverpackungen

Gleich mal vorweg: Den Forschern aus Norwegen, die in einer neuen Studie ein kritisches Auge auf Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff geworfen haben, geht es mitnichten um Panikmache und anderes aus der Reflex-Abteilung.

Plastik in Nahrungsmitteln
Plastik und Nahrungsmittel kommen ständig miteinander in Berührung. Dies ist potenziell gefährlich für den menschlichen Hormonhaushalt und Stoffwechsel, finden Forscher heraus. (Foto: Janet McKnight / CC BY 2.0)
„Es geht nicht darum, Plastik zu verbieten. Das ist ein fantastisches Material, aber es fehlt der Innovationsschub“, sagt Professor Martin Wagner von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU).

„Wir brauchen besseren Kunststoff, der sicherer für unsere Gesundheit und nachhaltiger für die Umwelt ist“, führt er aus, womit die vereinfachte Conclusio ausnahmsweise mal gleich am Artikelanfang steht.

Warum das so ist? Weil die Erkenntnisse der Studie zunächst nicht darauf schließen lassen, dass da ein Forscherteam im Großen und Ganzen d’accord ist mit der großen weiten Plastikwelt. Jedenfalls bezogen auf Plastik, der global Tag für Tag milliardenfach in Berührung mit unserem Essen kommt.

Die Basis: Für ihre Untersuchungen haben die Forscher Kunststoffverpackungen verschiedener Lebensmittel, darunter Wurst, Blaubeeren, Käse und Joghurt aus fünf Ländern – den USA, Deutschland, Südkorea, dem Vereinigten Königreich und Norwegen – unter die Lupe genommen.

Potenziell gefährlich für den menschlichen Hormonhaushalt und unseren Stoffwechsel

Dabei fanden sie Tausende von Chemikalien, von denen nur einige gesichert unbedenklich, viele unbekannt und unbekannt viele schädlich sind. Und damit leider potenziell gefährlich für den menschlichen Hormonhaushalt und unseren Stoffwechsel, wie es in der Studie heißt.

„Die Menschen denken normalerweise, dass Kunststoffe geprüft und sicher sind, wenn sie für Lebensmittelverpackungen verwendet werden. Aber die Wissenschaft stützt diese Annahme nur bedingt“, sagt Martin Wagner, der zu den Leitern der neuen Kunststoffstudie gehört.

Er und die anderen Wissenschaftler haben beispielsweise herausgefunden, dass so gut wie alle Kunststoffe, die in der Lebensmittelindustrie verwendet werden, regelrecht einzigartige chemische Fingerabdrücke aufweisen.

So enthielt einer der analysierten Kunststoffe sage und schreibe 9.936 verschiedene Chemikalien, was klar nicht zu gesteigerter Unbedenklichkeit beiträgt. Denn nur Kunststoff, der wenige Chemikalien enthielt, wies den Analysen zufolge auch die wenigsten Schadstoffe auf.

Die Herstellung von Kunststoffen mit möglichst wenigen zugesetzten Chemikalien sei ein zentraler Schritt auf dem Weg zu sichereren Kunststoffverpackungen, schreiben die Forscher in ihrem Ergebnisbericht.

“Eigentlich fehlen uns für 10.000 dieser Stoffe Sicherheitsinformationen“

Gleichzeitig legt die Studie nahe, wie begrenzt noch immer das Wissen über Kunststoffe und die ihnen anhaftenden Chemikalien ist. Blöd ist das deshalb, weil sie ja trotzdem vollumfänglich im Gebrauch sind. Safety first? Scheint hier eher nicht die Devise zu sein.

Martin Wagner hat schon vor dieser Studie herausgefunden, dass in der internationalen Kunststoffproduktion etwa 16.000 Chemikalien verwendet werden. „Ein Viertel davon ist potenziell schädlich“, sagt er, „wobei uns eigentlich für 10.000 dieser Stoffe Sicherheitsinformationen fehlen.“

Das zeigt deutlich, wie groß der Mangel an Wissen ist. „Ich will den Menschen keine Angst machen“, betont Wagner, „aber wenn wir Plastik aus der Perspektive der öffentlichen Gesundheit betrachten, haben diese Chemikalien einen großen Einfluss.“

Als Referenz nennt er eine recht neue Studie aus den USA, die schätzt, dass Chemikalien in Kunststoffen wie Bisphenol, PFAS und Phthalate das US-amerikanische Gesundheitssystem – pro Jahr – etwa 250 Milliarden Dollar kosten.

Norwegische Kinder haben vielfach Bisphenol-Werte, die als nicht mehr sicher gelten

Auch eine Studie des norwegischen Instituts für öffentliche Gesundheit (NIPH) kam im Jahr 2023 zu Ergebnissen, die zumindest aufhorchen lassen. Darin wurde nämlich nachgewiesen, dass Kinder landesweit Bisphenol- und PFAS-Werte im Blut hatten, die als nicht mehr sicher gelten.

Aber: In der neuen Studie über Lebensmittelverpackungen wurde nicht untersucht, ob die gefundenen Chemikalien tatsächlich in das Essen gelangen, das sie als Plastikverbund ja eigentlich schützen sollen.

Wagner selbst spricht daher auch nicht von Erkenntnissen, sondern nur von Verdachtsmomenten. Er stützt dies auf eine frühere Studie, in der er und sein Team nachwiesen, wie leicht Kunststoffprodukte Chemikalien in Wasser abgeben.

„Wasser ist ein mildes Lösungsmittel. Und wenn etwas ins Wasser sickert, liegt die Vermutung nahe, dass es auch in Getränke, Lebensmittel, die viel Wasser enthalten, und fetthaltige Lebensmittel wie Käse und Butter sickern kann“, sagte er gegenüber ScienceNorway.

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