Ein Wiedersehen alter Freunde
Das 5. Estlandschwedische Gesangs- und Tanzfestival findet im Juli in Haapsalu statt
Am 6. Juli 2024 findet in der Bischofsburg zu Haapsalu das 5. Estlandschwedische Lieder- und Tanzfestival statt. Das Festival steht unter dem Motto „Weiter und näher“ („Kaugemalt ja lähemalt“).
Das Motto spiegelt sich im Programm der Chöre, Volkstänzer und Talharpaspieler wider. Aus der Nähe kommen lokale Originalkompositionen und schwedische Küstenfolklore in Form von Liedern, Tanzmelodien und Tänzen. Von weiter her kommen Lieder aus dem Chorgesangsrepertoire der Esten, Schweden und Finnlandschweden.
Eindrücke vom 3. Estlandschwedischen Lieder- und Tanzfestival im Jahr 2016:
„Auf dem Programm steht Musik, die bei den Estlandschweden entstanden ist und lebendig gehalten wird, aber auch Musik aus der Ferne, d. h. Lieder, Tänze und Musik aus Ländern, mit denen die estnischen Schweden in Kontakt standen“, so Sofia Joons Gylling, künstlerische Leiterin des Festivals 2024, gegenüber dem estnischen Rundfunk ERR.
Gylling fügte hinzu, dass sich das Estlandschwedische Lieder- und Tanzfestival wie ein Wiedersehen anfühle. Neben den Teilnehmern aus Estland werden auch Schweden und Finnlandschweden vertreten sein, und das Festival wird zweisprachig begleitet, d. h. es wird sowohl Estnisch als auch Schwedisch gesprochen.
„Das Wichtigste ist nicht, wer wer ist, sondern dass wir gemeinsam ein zweisprachiges Fest veranstalten, bei dem jeder willkommen ist und sehr herzlich aufgenommen wird“, sagt Joons Gylling.
Tradition seit 1933 pausierte in der sowjetischen Besatzungszeit
Das erste estnisch-schwedische Liederfest wurde 1933 veranstaltet. Die Tradition wurde jedoch erst 2013 nach einer 80-jährigen Pause wiederbelebt, als das zweite estnisch-schwedische Liederfest stattfand. Auch das jüngste, das vierte Estlandschwedische Gesangs- und Tanzfestival fand 2021 auf der Burg Haapsalu statt.
Die Idee für das erste Liederfestival stamme größtenteils von dem estnischen Komponisten Cyrillus Kreek, der in seiner Jugend in Vormsi Schwedisch lernte, sagt Ülo Kalm, Direktor des Museums der Küstenschweden in Haapsalu, gegenüber ERR.
Er machte es sich auch zur Aufgabe, die Volkslieder und Choräle der Estlandschweden zu studieren und zu sammeln.
Über die Estlandschweden
Seit dem 13. Jahrhundert – und vielleicht sogar schon früher – lebte eine schwedischsprachige bäuerliche Bevölkerung, die „Estlandschweden“, in den Küstengebieten des heutigen Estlands und auf den größeren Inseln im Westen des Landes.
Ihre größte Ausdehnung erreichte die Bevölkerung im 14. und 16. Jahrhundert. Mitte des 17. Jahrhunderts betrug die Zahl der Estlandschweden etwa 10.000, was 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung des damaligen Estlands entsprach.
In den 1940er Jahren lag die Zahl bei etwa 9.000. Rund 8.000 von ihnen kamen in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs mit Flüchtlingsbooten und organisierten Transporten nach Schweden.
Im 20. Jahrhundert lebte die überwiegende Mehrheit der Schweden in einigen wenigen Gebieten, in denen sie die Mehrheit der Bevölkerung stellten: auf den Inseln Runö (Ruhnu), Ormsö (estn. Vormsi, dt. Worms), Stora Rågö (Suur Pakri) und Lilla Rågö (Väike Pakri) sowie in den Gemeinden Nuckö (Noarootsi) und Rickul (estn. Riguldi, dt. Rickholtz) auf dem Festland.
Darüber hinaus lebte eine große Anzahl estnischer Schweden in Reval/Tallinn.
Über 1.000 Estlandschweden blieben zur Zeit der Sowjetbesatzung in Estland. Der häufigste Grund für ihren Verbleib war, dass sie über die Sprachgrenze hinweg verheiratet waren und estnische Verwandte hatten, die Estland nicht legal verlassen durften.
Diejenigen, die blieben, waren zu wenige, um ihre schwedische Identität zu bewahren. Sie vermischten sich mit Esten, und es war selbstverständlich, dass die Muttersprache ihrer Kinder Estnisch wurde.
Auch gab es keine schwedischen Schulen, in die man die Kinder hätte schicken können. Die Küstengebiete wurden zu verbotenen Grenzzonen, für deren Besuch Sondergenehmigungen erforderlich waren. In diesen Gebieten wurden Militärstützpunkte und Grenzschutzeinrichtungen erbaut.
Erst 1988/89 erhielten die in Schweden lebenden Estlandschweden die Möglichkeit, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Was sie auch mehrheitlich taten, sofern sie noch lebten und oder Nachkommen hatten an die sie das Heimatgefühl der estnischen Küstenregion weitervererbt hatten.
Seit der Unabhängigkeit Estlands 1991 fand die Rückgabe des Landes an die alten Landbesitzer statt. Um die Rückgabe zu regeln, wurde eine Reihe von Heimatvereinen gegründet, die sich bis heute als lebensfähig erwiesen haben. Die größten von ihnen sind Rickul/Nuckö Hembygdsförening und Ormsö Hembygdsförening. Auch haben viele Estlandschweden in ihrer alten Nachbarschaft Sommerhäuser gebaut.
Es ist keine Frage, dass das Estlandschwedische Lieder- und Tanzfestival V. am 6. Juli in Haapsalu ein Besuchermagnet über die Landesgrenzen hinaus werden wird.
Website der Estlandschweden-Kulturvereine: eestirootslane.ee (in estnischer und schwedischer Sprache).