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Vom Insulin bis zur Bierhefe

Wir danken den Dänen für diese Erfindungen

Zu oft sind wir nachts in dunklen Kinderzimmern barfüßig darauf getreten, wobei uns die unterdrückten Schreie als Tränen des Schmerzes aus den Augen leise ronnen. Wir lassen Lego darum links liegen. Doch was haben die Dänen außer Lego für uns getan? Wir tauchen tief in die Archive und stellen fest, es war gar nicht nötig, so gründlich zu tauchen, die dänischen Erfindungen liegen wie Bernstein am Ostseestrand, wir müssen uns nur bücken, um die Schätze zu heben.

1. Insulin – Eine gewaltige Pionierleistung aus Dänemark

Insulin Erfindung aus Dänemark
Insulin für Menschen, das tägliche „Geschenk des Lebens“, hergestellt in Dänemark.
(Foto Melissa Johnson, CC BY 2.0)
Der brühmte englische Arzt Thomas Willis diagnostizierte 1675 die Krankheit, wie bereits Ärzte der Antike in Indien, Alexandria und Rom, anhand einer Geschmacksprobe des Urins. Der Harn von Personen mit Diabetes weist bei erhöhtem Blutzuckerspiegel einen süßlichen Geschmack auf. Diesem Umstand verdanken wir die Krankheitsbezeichnung Diabetes mellitus, altgriechisch für Honigharnruhr oder honigsüßer Durchfluss. Diese Erkrankung, so süß ihr Name auch sei, war viele Jahrtausende lang stark lebensverkürzend.

Es war nicht vor 1922, da der rumänische Physiologe, Professor Nicolae Constantin Paulescu, Insulin entdeckte und dessen Verfahren zur Herstellung von „Pancrein“ patentieren ließ, einem Extrakt aus der Bauchspeicheldrüse, der Insulin enthielt. Damit behandelte er erfolgreich einen an Diabetes leidenden Hund. Wann kommen die Dänen ins Spiel? Genau jetzt.

Der dänische Physiologe August Krogh und seine Frau Marie brachten Insulin kurz nach seiner Entdeckung durch Nicolae Paulescu nach Dänemark. Marie, eine Ärztin mit Typ-1-Diabetes-Patienten, die selbst an Typ-2-Diabetes litt, war sehr an der neuen Entdeckung interessiert. Gemeinsam mit dem Arzt Hans Christian Hagedorn, gründeten August und Marie Krogh das Nordisk Insulinlaboratorium. Das war der Grundstein für die Etablierung einer breit angelegten Insulinproduktion in Dänemark, bei der Herstellungsverfahren durch die genannten Forscher verfeinert wurden und, vor allem, die Anwendung bei Menschen vorangetrieben. Heute ist Nordisk Insulinlaboratorium unter dem Namen Novo Nordisk bei den Diabetikern weltweit bekannt. Eine Pionierleistung der Dänen, die vielen Menschen das Leben rettete.

2. Trockenbatterie – Oder einfach Batterie

Trockenbatterie dänische Erfindung
Moderne Trockenbatterien gehen auf die Erfindung des Dänen Wilhelm Hellesen.
(Foto Eugene Brennan)
Zwischen dem Franzosen Georges Leclanché, der 1866 seine Nassbatterie patentieren ließ, und dem Deutschen Carl Gassner, der die Trockenbatterie 1887 zur Serienreife weiterentwickelte, liegt der Däne Wilhelm Hellesen, der vor 1886 Leclanchés Nassbatterie zur ersten Trockenbatterie der Welt machte. Das war der Vorläufer der heutigen Batterien, wie wir sie aus Taschenlampen und Fernsehbedienungen kennen.

Hellesens Erfindung erleichterte den Transport und Handhabung der Batterien. Der Däne gründete nach seiner Erfindung eine eigene Fabrik, in der er Trockenbatterien für das dänische Telekommunikationsunternehmen produzierte. Heute ist der Markenname Hellesens im Besitz der Firma Duracell.

3. Bohrsches Atommodell – Wie der Vater, so der Sohn

Bohrsches Atommodell Dänemark Erfindung
Bohrsches Atommodell. Nach diesem Modell bewegen sich Elektronen auf Kreisbahnen bestimmter Energie. (Grafik JabberWok, CC BY-SA 3.0)
Der berühmte dänische Physiker Niels Bohr erhielt 1922 den Nobelpreis für Physik „für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung“. Ein wichtiger Meilenstein der theoretischen Physik. Der Zeitgenosse von Max Planck und Albert Einstein, die drei kannten sich auch persönlich, benutzte ihre Theorien zur Quantenphysik, verband sie mit der klassischen Physik und stellte, darauf basierend, bereits im Jahre 1913 sein Atommodell auf, mit dem die Linienspektren des Wasserstoffs erklärt werden konnten. Diese und seine Weiterentwicklung zum Bohr-Sommerfeldschen Atommodell von 1915/16 ist inzwischen überholt und durch das quantenmechanische Orbitalmodell ersetzt worden. Dennoch wird Niels Bohr als eine Vaterfigur der theoretischen Physik im gleichen Atemzug mit Einstein, Planck und Heisenberg genannt.

Apropos Heisenberg. 1926/27 dozierte Werner Heisenberg, seinerseits späterer Nobelpreisträger, am Institut von Niels Bohr in Kopenhagen. Durch die Diskussionen der beiden Forscher entwickelten sich Heisenbergs Unschärferelation sowie das Komplementaritätsprinzip Bohrs als „Kopenhagener Deutung“ der Quantentheorie.

Ein Sohn Niels Bohrs, Aage Niels Bohr, erhielt 1975 ebenfalls den Nobelpreis für Physik. Dieser war 1956–1992 Professor an der Universität Kopenhagen, nach dem Tod seines Vaters Niels Bohr im Jahre 1962, wurde er 1963–1970 Vorstand des dortigen Niels-Bohr-Instituts.

4. Fahrräder, eine dänische Leidenschaft

Pedersen-Fahrrad Erfindung
Das Pedersen-Fahrrad wird seit den 1980er Jahren wieder gebaut.
(Foto Michael Cheng, CC BY-NC 2.0)
Wenden wir uns von der theoretischen Physik ab und der praktischen zu. Dänemark ist eines der Fahrrad-freundlichsten Länder der Welt, und das nicht erst seit gestern. In Kopenhagen wurden 2016 zum ersten Mal mehr Fahrräder als Autos auf den Straßen der Stadt gezählt. Unter den Skandinaviern war es ein Däne, Bjarne Riis, der 1996 zum ersten und einzigen Mal die Tour de France gewinnen konnte. Wie damals üblich, und wahrscheinlich heute noch, mit Hilfe von Dopingmitteln, aber der Sieg wurde ihm nie aberkannt, und so steht Riis heute noch in der offiziellen Siegerliste der Tour und in unseren vergrößerten Athletenherzen.

Dänemark bietet gleich zwei erfinderische Fahrradtüftler. Gemäß der Devise „Alter vor Schönheit“ fangen wir mit Mikael Pedersen an. Der Erfinder, gebürtig aus Fløng, Jahrgang 1855, entwickelte um 1890 das nach ihm benannte Pedersen-Fahrrad.

Mit dem Sitzkomfort damaliger Fahrräder unzufrieden, entwickelte Pedersen einen eigenen geflochtenen Sattel, der wie eine Hängematte aufgehängt wurde und der seitlich schwingt. An den Sattel baute er den Fahrradrahmen ausschließlich aus Dreiecken. Mit minimalem Gewicht erreichte er dadurch eine extrem hohe Stabilität und nie dagewesenen Sitzkomfort.

Weil diese Fahrräder von 1893 bis ca. 1920 an Mikael Pedersens damaligem Wohnsitz Dursley (Grafschaft Gloucestershire, England) gebaut wurden, werden sie auch Dursley-Pedersens genannt.

Leicht, rückenschonend, aber aufwändig. Durch die vielen Lötstellen, die beim Bau eines Pedersens notwendig sind, ist seine Produktion teuerer als die der konventionell geformten Fahrräder. Seit den 1980er Jahren werden diese besonderen Räder in Dänemark und in Deutschland wieder gebaut, meist als Maßanfertigung im Auftrag eines Kunden.

Christiania Bike Erfinder
Das Christiania Bike gehört heute zum Statdbild von Kopenhagen.
(Foto Mikael Colville-Andersen, CC BY-NC 2.0)
Kommen wir zum „Signature“-Fahrrad Kopenhagens: zum sogenannten Christiania Bike, zu Deutsch auch Lastenfahrrad oder Transportrad. Es war im Jahre 1984 als Lars Engstrøm ein Lastenrad als Geschenk für seine Freundin baute. Nicht nur seine Freundin war begeistert, auch die Nachbarschaft in Christiania, einer alternativen Wohnsiedlung in Kopenhagen, war vom Aussehen und den praktischen Anwendungsmöglichkeiten des Fahrrads beeindruckt. Fortan konnte sich Engstrøm, seines Zeichens Eisenschmied, vor Aufträgen nicht mehr retten. Bis heute erfreut sich das Dreirad nicht nur in Dänemark einer wachsenden Beliebtheit, sondern gewinnt weltweit immer mehr Freunde.

Schließlich prägten die fahrradverrückten Dänen auch den Begriff Copenhagenization, wie er etwa im sog. Copenhagenize Index verwendet wird. Die „Kopenhagenisierung“ ist eine Planungsstrategie, bei der Stadtplanung und Design darauf abzielen, eine Stadt für Radfahrer und Fußgänger zugänglicher und autofreier zu machen. In diesem Sinne sagen wir: „Copenhagenize my city, baby!“

5. Isolierung der Hefezelle, prost! – Saccharomyces carlsbergensis

Carlsberg Hefe Erfindung
In der Carlsbergbrauerei wurde zum ersten Mal eine Hefezelle isoliert. Heute ist das historische Brauereigebäude ein Museum und Besucherzentrum. (Foto Adam Kent, CC BY 2.0)
Der Sohn des Gründers der Carlsberg-Brauerei, dem heute viertgrößten Brauereikonzern der Welt, unterhielt in der väterlichen Brauerei ein Labor, wo dem Mykologen Emil Christian Hansen im Jahr 1883 die erste Isolierung einer Hefezelle gelang. Aus diesem Labor entstand später das Carlsberg-Forschungszentrum. Noch heute werden in Brauereien Hefereinzuchten in den sogenannten „Carlsberg-Kolben“ herangezogen.

Der nach der Brauerei Carlsberg benannte Hefepilz Saccharomyces carlsbergensis (Lager-Hefe) wird zum Brauen von untergärigen Lagerbieren verwendet. Dieser findet aber auch im wissenschaftlichen Bereich Verwendung.

Noch nie in der Geschichte des Bieres schmeckte das Bier zu jeder Jahreszeit und bei jeder Tranche genau gleich gut. Diese Errungeschaft der standardisierten Biergenese verdanken wir auch einem Dänen. Darauf ein Glas Den tørstige mand (Der durstige Mann).

6. Die Lichtgeschwindigkeit ist endlich

Lichtgeschwindigkeit Dänemark
Das Licht benötigt für seine Reise von der Erde bis zum Mond etwa 1,3 Sekunden.
Ole Rømer, nein, er war kein alter Römer, sondern ein dänischer Astronom. Ihm gelang als erstem der Nachweis, dass die Lichtgeschwindigkeit endlich und nicht unendlich groß ist. Dazu lieferte er gleich eine Methode, wie die Lichtgeschwindigkeit berechnet werden könnte. Das war im Jahre 1676. Er selbst hat diese nie berechnet, oder zumindest nie eine konkrete Zahl veröffentlicht. Doch zwei Jahre nach seiner Entdeckung, errechnete der niederländische Mathematiker Christiaan Huygens, indem er Daten von Rømer und Giovanni Domenico Cassini kombinierte, dass die Lichtgeschwindigkeit etwa bei 212.000 pro Sekunde läge. Eine erstaunliche Präzision für die damaligen Möglichkeiten. Heute gilt 300.000 Kilometer pro Sekunde als grober Richtwert für die Lichtgeschwindigkeit.

Vorherrschend war damals die descartessche Annahme, dass Licht sich augenblicklich ausbreitet. Dagegen wurde Rømers Deutung der Lichtausbreitung bald von Isaac Newton, John Flamsteed, Edmond Halley und eben Christiaan Huygens akzeptiert. Ein Meilenstein der Physik, der das Fach bedeutend weiterentwickelte.

7. pH-Wert-Skala, eine dänische Erfindung

pH-Wert-Skala dänische Erfindung
Die pH-Wert-Skala ist eine Erfindung aus Dänemark. (Grafik Chris828, CC BY-SA 2.5)
Søren Sørensen, Sohn vom Søren, war Vater der pH-Wert-Skala. Der Leiter der chemischen Abteilung des Carlsberg-Laboratoriums, von dem wir bereits so viel gutes gehört haben, erfand eine Maßeinheit für saure und basische Lösungen, die heute ein jedes Kind im Chemieunterricht behandelt. Diese großartige Leistung gelang dem Erfinder im Jahr 1909.

In der Schule lernen wir, dass der pH-Wert auf einer Skala von 0 – 14 angibt, wie stark eine wässrige Lösung sauer oder basisch ist. Werte von 0 bis ca. 6,5 sind als sauer einzuschätzen. Reines Wasser verfügt über einen pH-Wert von 7 und gilt als neutral. Werte zwischen 7,5 – 14 sind dagegen basisch. Cola besitzt einen pH-Wert von 2-3 und ist damit sauerer als manch ein Essig (pH 2,5), Blut und Meereswasser sind dagegen ähnlich basisch, das erste hat den Wert 7,4, das zweite 7,5 und mehr. Das nur, um einige Beispiele zu nennen.

Was heute relativ simpel anmutet, war das Ergebnis jahrelanger Forschung eines dänischen Wissenschaftlers, der als Sohn eines Kleinbauern aus dem Dörfchen Havrebjerg nach Kopenhagen ging, um dort Großes zu leisten.

In diesem Sinne verabschieden wir uns von der redaktionell verkürzten Liste dänischer Erfindungen, denn irgendwann muss auch das größte Lernvergnügen enden.

Siehe auch:

ap

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