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Was ist los in Wales?

Tausende treten der walisischen Unabhängigkeitsbewegung Yes Cymru bei

Die walisische Unabhängigkeitsbewegung hatte schon immer ihre Anhänger. Diese blieben, trotz aller Leidenschaft, in der Minderheit. Doch seit einigen Tagen erfährt Yes Cymru, eine außerparteiliche Bewegung für die walisische Unabhängigkeit, Zulauf von Tausenden Walisern und Waliserinnen. Was ist los in Wales?

Wales Unabhängigkeit
Im Mai 2019 demonstrierten bis zu 3.000 Menschen für die walisische Unabhängigkiet.
(Foto: Yes Cymru)
Das walisische Nachrichtenportal WalesOnline schreibt heute in einem Atikel, dass in Wales gerade etwas Besonderes geschehe.

Die Coronapandemie habe in den vergangenen neun Monaten Familien und Lebenspläne zerstört, Volkswirtschaften und Gesundheitssysteme gleichermaßen beschädigt, schreibt der Journalist Robert Harries. Kurz gesagt: die Menschen in Wales seien erschöpft.

Zwei Corona-bedingte Lockdowns hatte Wales zu verkraften, ein weiterer Lockdown ist nicht auszuschließen. Der Druck auf die Waliser ist so stark wie nie in den letzten Jahren gewesen. Die Aussicht auf den Brexit lastet schwer auf der ohnehin eher schwachen wirtschaftlichen Infrastruktur des Landes, und nun kommt auch noch Corona dazu.

„Wales steht vor einer Welle der Verarmung“, titelte BBC Wales vor sechs Tagen.

Die Aussichten in Wales, das bereits vor Brexit und Corona als „Armenhaus Großbritanniens“ galt, sind inzwischen trüber als je zuvor. Doch inmitten der Hoffnungslosigkeit keime neue Hoffnung auf, schreibt WalesOnline, diese heiße Unabgängigkeit, genauer gesagt, die Unabhängigkeitsbwegung Yes Cymru.

In Wales bahne sich ein historischer Wandel an, schreibt Robert Harries.

Zu Beginn des Jahres 2020, als das Coronavirus lediglich ein Problem in „einem fernen Land“ gewesen war, hatte Yes Cymru weniger als 2.000 Mitglieder.

Im Oktober dieses Jahres waren es schon 8.000 Mitglieder. In den letzten zehn Tagen ist diese Zahl auf 14.000 angestiegen. Eintausend neue Mitglieder meldeten sich allein am Montag an, weitere tausend am Dienstag.

Die Gruppe gehe davon aus, schreibt Harries, dass gerade etwas Besonderes geschehe. Bei einer erst gestern veröffentlichten Umfrage, antworteten 56 Prozent der Befragten auf die Frage: „Wenn es morgen ein Referendum gäbe, in dem die Frage gestellt werden würde: ‚Sollte Wales ein unabhängiger Staat sein‘, was würden Sie antworten?“ mit einem Ja.

22.000 Tausend Menschen haben an der Umfrage teilgenommen.

Wales erlebt gerade ein historisches Momentum. Sei es Brexit, Coronavirus, Westminster-Müdigkeit oder etwas anderes.

Der Vorsitzende von Yes Cymru, Sion Jobbins, sagte gegenüber WalesOnline: „Es passiert gerade sehr viel.“

„Was wir kürzlich festgestellt haben, ist, dass die Mitgliederzahl steigt, wenn die walisische Regierung eine gute Entscheidung trifft und Westminster zugleich eine schlechte. Als Wales den neuerlichen Lockdown ausrief, waren wir der Buhmann. Als nach uns auch England in den Lockdown gehen musste, waren wir plötzlich gar nicht so blöd“, so Jobbins.

„Das gab den Menschen Selbstvertrauen, dass Wales selbst in der Lage ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen“, fügte er hinzu.

Ein enormer Mangel an Vertrauen in Westminster haben offensichtlich beim Anstieg der Mitgliederzahlen eine Rolle gespielt.

„Ich glaube, bis zu diesem Jahr hatte man in Wales das Gefühl, Westminster sei das erwachsene Parlament und der Senedd (das Walisische Parlament, Anm.d.Red.) sei nur dieses kleine Ding. 2020 hat das geändert. Die Menschen haben gesehen, dass der Senedd transparenter und näher am Volk ist.“

„Wir haben in Wales die richtigen Entscheidungen in Bezug auf Covid-19 und zum Beispiel mit der Bereitstellung kostenloser Schulspeisung für arme Kinder getroffen. Durch Entscheidungen wie diese sehen die Menschen, dass Wales als unabhängige Nation lebensfähig ist; sie beginnen zu erkennen, dass sie lieber in einem guten Wales als in einem ‚Groß’britannien leben würden“, sagte Sion Jobbins.

Die walisische Identität sei stark ausgeprägt, heißt es in dem Artikel. Die Menschen sind stolz darauf Waliser/innen zu sein. Aber das bedeute nicht, dass sie zugleich für die Unabhängigkeit seien. Menschen können stolz auf Wales sein und trotzdem Teil des Vereinigten Königreiches.

So habe man zumindest bislang gedacht. Nach dem Motto „Never change a winning team!“. Doch was, wenn das Team nicht mehr gewinnt? Diese Frage stellen sich dieser Tage viele Menschen in Wales.

Die Menschen hätten unterschiedliche Vorstellungen von Identität, sagt der Vorsitzende von Yes Cumru.

„Es ist traurig, dass wir immer noch betonen müssen, dass wir nicht anti-englisch sind. Tatsächlich unterstützen wir damit ein englisches Parlament, wir unterstützen englische Kinder, die in den Ferien kostenloses Schulessen bekommen. Niemand fragt einen Iren, der nach Unabhängigkeit strebt, ob er gegen die englische Sprache ist; wir sind nicht gegen die englische Sprache, wir leben nur in Wales und glauben an Wales als Nation“.

Die Schauspielerin und Musikerin Carys Eleri, die bereits vor zwei Jahren Yes Cumru beigetreten war, sagte: „Es war immer etwas, das mich wirklich anspricht, und mir hat es sehr gefallen, den enormen Anstieg der Mitgliederzahlen in der vergangenen Woche zu sehen.“

Aber sie betont auch: „Abgesehen davon glaube ich, dass es unfair wäre, jetzt ein Referendum abzuhalten, denn es wäre ziemlich reaktionär, wenn auch in gewisser Weise faszinierend. Niemand will, dass über Nacht große Entscheidungen getroffen werden. Es muss eine einvernehmliche Scheidung sein.“

Übrigens, der Brexit erkläre nicht das enorme Wachstum der Pro-Unabhängigkeitsbewegung in Wales, heißt es im Artikel.

Das, so Yes Cymru, sei durch etwas verursacht worden, das keiner von uns wollte: das Coronavirus. Es wäre zwar eine Tragödie, aber diese Tragödie habe auch die Erkenntnis gebracht, dass Wales, wie viele Länder auf der Welt, eine Krise aus eigener Kraft besser bewältigen kann.

„Der Senedd hat im Umgang mit Covid-19 bessere Arbeit geleistet“, sagte Sion Jobbins.

„Das Virus hat es ans Tageslicht gebracht, und die Menschen haben erkannt, dass wir überleben und tatsächlich aus eigener Kraft gedeihen können. Durch Covid wurden viele Mythen um Westminster zerstreut.“

Wales‘ Unabhängigkeit ist nichts, was mittel- oder gar kurzfristig in Aussicht gestellt werden kann. Aber wir wissen, dass eine Debatte darüber genau in diesem Moment unvermeidbar geworden ist.

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ap

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