Mehr als nur Kaffee und Kuchen
Die Geschichte des Fika in Schweden
Die Schweden sind berühmt für ihren hohen Kaffeekonsum und ihre nachmittägliche Kaffeetafel. Was dem Briten seine tea time, ist den Vizeweltmeistern im Kaffeetrinken ihr fika. Doch die schwedische Institution ist vielschichtiger als es auf den ersten Blick scheint, man muss ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit schauen, um zu ihren Ursprüngen zu gelangen.
Kaffee, der verbotene Luxus
Erst im Jahr 1674 erreichte die europäische Kaffeewelle Schweden, die mit den ersten gehandelten Kaffeesäcken 1615 in Europa begonnen hatte. König Friedrich I., der Schweden von 1720 bis 1751 regierte, beschloss erstmals 1746 eine hohe Steuer auf die Einfuhr sowohl von Kaffee als auch von Kaffeezubehör und Tee. Doch schien die Steuer nicht besonders erfolgreich zu sein, der Schwarzhandel blühte auf. Die Folge waren hohe Strafen und Konfiszierungen, von Kaffee und Kaffeekannen. Insgesamt fünf Mal wurde der Kaffee verboten und wieder erlaubt, bis er im Jahre 1822 in Schweden schließlich legalisiert wurde.
König Gustav III. von Schweden, der ab 1771 regierte, ist mit seiner Abneigung zum Kaffee angeblich so weit gegangen, dass er Kaffeexperimente an Menschen durchführen ließ. Damit ging er als derjenige in die Geschichte ein, der für das erste medizinische Experiment in Schweden verantwortlich gewesen sei, wie seine Zeitgenossen ironisch bemerkten.
Überzeugt von der Schädlichkeit des Kaffeetrinkens, hat der König zwei zum Tode verurteilten Zwillingen eine Umwandlung der Strafe in lebenslange Haft in Aussicht gestellt. Bedingung war jedoch, dass fortan einer der Zwillinge drei Kannen Kaffee am Tag trinken solle und der andere die gleiche Menge Tee. Das Ende des Experiments habe der König nicht mehr erlebt, da er zuvor, im Jahre 1792, ermordet worden ist, und auch die zwei Ärzte, die die Studie begleiteten seien vor den Zwillingen verstorben. Am längsten gelebt habe der Kaffeetrinker unter den Zwillingen. Damit hat er alle Beteiligten überlebt. Ob die Geschichte sich jedoch tatsächlich so zugetragen hat, ist nach Angaben von Historikern der Universität Uppsala fraglich.
Aus Kaffi wird Fika
Die Geschichte des Fika beginnt mit der Zeit der Prohibitionen, lautet eine These. Denn, um sich zum Kaffeetrinken zu verabreden, hat man die Silben des schwedischen Wortes für das beliebte Getränk schlicht umgestellt. So wurde aus kaffi, einer Nebenform des Wortes kaffe, fika und bedeutete zu Beginn nichts anderes als eine kleine, gemeinsame Kaffeepause.
Belegt ist die Verwendung des Wortes Fika jedoch erst ab 1910, also lange nach dem Ende der letzten Prohibition. Und ob Fika von geheimen Verabredungen zum Kaffee stammte, der Geheimsprache der Ledergerber in Dalarna zu verdanken ist oder die Schornsteinfeger in Stockholm sie einführten, ist umstritten.
Unumstritten hingegen ist die Bedeutung des Fika in Schwedens jüngster Geschichte. In seinem Standardwerk „Nordic Das Kochbuch“ beschreibt der schwedische Koch, Magnus Nilsson, das Fika als schwedische Institution.
Er selbst mache nur noch zwei Fikapausen am Tag, doch noch in der Generation seines Vaters sehe ein typischer Fikatag sieben Kaffeepausen vor. Eine zu jeder Hauptmahlzeit, eine gleich nach dem Aufstehen, zwei mit den Kollegen (vormittags und nachmittags) und am Ende des Tages vor dem Schlafengehen noch ein kvällsfika mit der Familie. Bei so viel Kaffee wundert es nicht, dass die Schweden den zweithöchsten Kaffeekonsum pro Kopf haben. Man fragt sich nur, wie es die Finnen schaffen, das noch zu toppen.
Dass bei jeder Kaffeepause noch Brötchen, Kekse oder Gebäck gereicht werden, erkläre sich mit der geographischen Lage Schwedens, so Nilsson. Im hohen Norden hätten die Menschen im Sommer jede Minute des Tages nutzen müssen, so dass ein 16-Stunden-Tag mit harter, körperlicher Arbeit nicht ungewöhnlich gewesen sei. Um diesen durchzustehen brauchte man entsprechend mehr Energie, was einer der Gründe für die vielen Fika und Mahlzeiten in Schweden gewesen sei. Selbst heutzutage läge die Zahl der als normal betrachteten Mahlzeiten pro Tag in Schweden höher als es im Süden Europas der Fall sei.
Kaffeeklatsch mit sieben Sorten Keksen
Die bei uns bekannteste Form des Fika ist der schwedische Kaffeeklatsch, der kafferep genannt wird. Als Mitte des 19. Jahrhunderts Konditoreien in Schweden populär wurden, etablierten sich auch zu den privaten nachmittäglichen Kaffeeklatschrunden eigene Regeln für das Begleitangebot an Gebäck. In ihrem Buch „Fika – The Art of the Swedish Coffee Break“ von Anna Brones und Johanna Kindvall, beschreiben die Autorinnen nicht nur die Rezepte für die unterschiedlichen Fikaarten, sondern ebenso die geschichtlichen Hintergründe.
Gesellschaftlich hatte es sich beim kafferep eingebürgert, dass man eine Variation an Gebäck seinen Gästen anbot. Dazu zählten Kekse, sogenannte småkakor, Hefeteilchen und eine Auswahl an Kuchen. Für größere Anlässe kam dann noch eine Torte hinzu, so dass man immer eine große Vielfalt zum Kaffee reichen konnte. Die Keksplatte, kakfat, wurde dabei immer mit sieben Varianten der småkakor gefüllt, die eine gute Gastgeberin früher selbstverständlich alle selbst zubereitet hatte. Weniger Kekssorten anzubieten, galt als geizig. Mehr Keksarten anzubieten, galt als protzig.
Eines der ältesten und heute noch verlegten Backbücher, „Sju Sorters Kakor“ (Sieben Arten von Keksen), das eines der Standardwerke in schwedischen Buchregalen ist, zementierte die Tradition der Keksauswahl. Immer sieben Sorten selbstgebackener Kekse vorrätig zu haben, kommt nicht nur uns heute verrückt vor.
Fika heute
Auch wenn sich heute die Zeiten in Schweden geändert haben, so ist doch der Kern des Fika geblieben: eine Kaffeepause zum Entschleunigen und Beisammensein mit Familie, Freunden oder Kollegen. Im Gegenzug zu der aus Amerika zu uns übergeschwappten Kultur des Kaffees zum Mitnehmen, sehe ich das Fika als das schwedische Gegenkonzept dazu. Eine weitere Fika-Regel wurde ebenso bewahrt: Niemals Fika ohne etwas zu Essen. Und sei es nur ein Plätzchen.
Schlimme Helena