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Altes Rätsel um „Herlaugshaugen“ gelöst?

Womöglich ältestes Schiffsgrab in Norwegen entdeckt – durch unerwarteten Nietenfund

Einer der größten Grabhügel Norwegens ist mit 60 Metern Durchmesser und einer Höhe von 7 Metern Herlaugshaugen. Kein Wunder, dass die auf der Insel Leka in der Region Trøndelag gelegene Stätte schon oft Ziel archäologischer Untersuchungen war. Rätselhaft ist sie dennoch geblieben.


Bilder 1 bis 5: NTNU University Museum

Vor allem die Frage, ob Herlaugshaugen ein wikingerzeitliches Schiffsgrab enthält, bewegt die Forschung über einen langen Zeitraum. Gemessen an der Größendimension des Hügels war dies immer vorstellbar, vielleicht auch realistisch. Nur fehlten eben Indizien – und erst recht die Beweise.

Seit diesem Sommer sieht das deutlich anders aus. Denn bei einem weiteren archäologischen Versuch, die letzten großen Geheimisse der Stätte zu lüften, stieß ein Forscherteam unter Leitung der norwegischen Direktion für Kulturerbe im Inneren des Grabhügels urplötzlich auf alte Schiffsnieten.

Ziel der Untersuchung war es eigentlich „nur“, Herlaugshaugen genauer zu datieren und mögliche Hinweise für ein Schiffsgrab zu finden. Als man dann aber auf einmal Artefakte mit Beweischarakter in Händen hielt, war die Aufregung laut Geir Grønnesby „natürlich riesengroß“.

Grønnesby ist Archäologe am NTNU-Universitätsmuseum in Trondheim und mitverantwortlich für die Untersuchung. Und steht damit in einer langen Reihe von Forscherinnen und Forschern, die sich schon am Herlaugshaugen versucht haben.

Bereits im späten 18. Jahrhundert wurde dort dreimal gegraben. Den überlieferten Berichten zufolge wurden dabei Mauerreste, Nägel, ein Bronzekessel, Tierknochen und vor allem ein sitzendes Skelett mit einem Schwert gefunden.

„Aber leider verschwanden diese Funde in den frühen 1920er Jahren. Das Skelett war länger in Trondheim als König Herlaug ausgestellt, doch niemand weiß, wo es gelandet ist“, schildert Grønnesby einen Hauptgrund, weshalb das Wissen über die Grabstätte stets fragmentiert war.

Seit Dezember ist die Datierung vorläufig abgeschlossen – mit einem Paukenschlag

Entsprechend haben die gefundenen Schiffsnieten gleich nach ihrer Entdeckung die Hoffnung beflügelt, eine wesentliche Lücke zu schließen. Umso wichtiger waren die Datierungsversuche, die Grønnesby und sein Team nun vorläufig abgeschlossen haben.

Und zwar mit einem echten Paukenschlag: Denn aktuell deutet vieles darauf hin, dass das Schiffsgrab im Herlaugshaugen nicht wikingerzeitlich war (8. bis Mitte 11. Jh.), sondern älter – wohl aus der Merowingerzeit, errichtet wahrscheinlich um das Jahr 700 nach Christus.

Damit handelt es sich höchstwahrscheinlich um das erste bekannte Schiffsgrab in ganz Norwegen und definitiv um eines der allerältesten in Skandinavien, wo mit Blick auf den zeitlichen Ursprung nur zwei andere Funde in Schweden – in Vendel und Valsgärde – konkurrenzfähig erscheinen.

Dies deutet laut Grønnesby darauf hin, dass der Brauch, Menschen in Schiffen zu bestatten, wohl früher begann als bisher angenommen. Und auch, dass die Schiffstechnologie bzw. seefahrerische Kompetenz in der Region weit ausgeprägter war. Kein schlechtes Ergebnis für ein paar Nieten.

„Diese Datierung ist wirklich aufregend, weil sie die ganze Tradition der Schiffsgräber ziemlich weit in die Vergangenheit zurückdrängt“, zitiert Newsweek eine aktuelle Presseerklärung von Grønnesby, für den einfach klar ist:

„Man baut kein Schiff dieser Größe, ohne einen Grund dafür zu haben. Das zeigt uns, dass die Menschen in diesem Gebiet wohl schon viel früher, als wir es bislang vermutet haben, geschickte Seefahrer waren. Und große Schiffe bauen konnten.“

Liefert die Stätte in Zukunft neues Wissen zu den frühen Raubzügen der Wikinger?

Damit werfen die jüngsten Funde nicht nur ein neues Licht auf den Grabhügel selbst, sondern auch auf das, was folgte: die Wikingerzeit – und die mit ihr eng verknüpften Raubzüge nach England, die laut Quellen und gefundener Importware zum Ende des 8. Jahrhunderts begannen.

Herlaugshaugen Norwegen Ausgrabung 6
Informationen zur Grabstätte Herlaugshaugen. (Darstellung: NTNU University Museum)

Als erstes gesichertes Datum wird hier häufig die Eroberung der Abtei Lindisfarne im Jahr 793 nach Christus genannt, aber laut Grønnesby könnten die neuen Erkenntnisse aus Herlaugshaugen selbst an diesem Thema rütteln.

„Die Diskussion darüber, wann genau und warum genau die Raubzüge der Wikinger begannen, hängt unter anderem mit der Entwicklung der Schiffstechnik und insbesondere mit der Verwendung von Segeln zusammen“, erläutert Grønnesby.

Klar ist, dass die wenigen bekannten Schiffe aus Skandinavien, die womöglich älter sind als das in Herlaugshaugen, mit nichts anderem als Rudern ausgestattet waren. Ob das bei dem in Herlaugshaugen vermuteten Schiff anders war, wird ab sofort Teil der Forschung sein.

Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang aber, dass in Berichten über die Ausgrabungen im 18. Jahrhundert von Holzspuren und einem Loch die Rede ist, das in der jüngeren Vergangenheit schon als vager Hinweis auf einen Mast interpretiert wurde.

Wunschdenken? Mehr als das? Aktuell gibt es hierzu nichts Verlässliches, weshalb es für Grønnesby nur einen Schlüssel geben kann: „Eine vollständige Ausgrabung des Hügels, denn sonst haben wir keine Möglichkeit, die Theorie zu bestätigen.“ Klingt nach ziemlich spannender Zukunft.

Unser Geographie-Quiz: Norwegen und seine Landschaft

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