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Faszinierende Forschungsergebnisse

England: Archäologen machen 400 Menschen aus dem mittelalterlichen Cambridge „lebendig“

Fast unglaubliche Forschungsergebnisse aus England: Archäologen der Universität Cambridge ist es gelungen, durch die Analyse von Skeletten die Biografien Hunderter einfacher Stadtbewohner aus dem mittelalterlichen Cambridge bist fast ins Detail zu rekonstruieren.


Bild 1: Cambridge Archaeological Unit / St John’s College
Bilder 2 bis 6: Mark Gridley / After the Plague

Grundlage hierfür waren die sterblichen Überreste von mehr als 400 Erwachsenen und Kindern, die zwischen 1200 und 1500 nach Christus in der heute weltbekannten Hochschulstadt auf dem Gelände eines Hospitals begraben wurden.

Mithilfe der Skelette und modernster Analyseverfahren gelang es, ein scharfes Bild vom Leben, der Gesundheit und sogar dem Aussehen der Menschen zu erstellen, die in der etwa 300-jährigen Zeitspanne in Cambridge lebten und starben. Ein Wahnsinn.

Zudem erhielten die Archäologen Hinweise darauf, wie das Krankenhaus als mildtätige Einrichtung eine Art Sozialsystematik anwenden musste, um zu entscheiden, wer in der von großer Not geprägten Epoche ärztliche Hilfe bekam.

Die Skelette waren bei Ausgrabungen auf dem ehemaligen Gelände des Krankenhauses St. John the Evangelist bereits im Jahr 2010 gefunden worden. Ein wahrer Schatz und Blickfenster ins Mittelalter, wie sich nun herausstellt.

Das Interessante an der morbiden Stichprobe ist, dass sie mit Blick auf Merkmale wie Sozialstatus und Hierarchie sehr heterogen ist. So lieferten die Grabstellen Hinweise auf mittelalterliche Normalbürger, aber auch auf Waisenkinder, Gelehrte und ehemals betuchte Persönlichkeiten.

Einer der größten Datensätze, die es zum mittelalterlichen Leben in England gibt

Für die neue Studie wandten die Experten unter anderem DNA- und Isotopen-Analyseverfahren an, um bis zu 50 individuelle Merkmale jedes Skeletts zu bestimmen. Damit ist es einer der größten Datensätze, die es zum mittelalterlichen Leben in England gibt.

„Die Menschen im Krankenhaus gehörten nicht nur zur Unterschicht, sondern kamen auf unterschiedliche Weise dorthin“, teilte John Robb, Professor für Archäologie an der Universität Cambridge und Leiter der Studie, diese Woche in einem Pressestatement mit.

„Nur eine begrenzte Anzahl von Patienten erhielt Zutritt zum Krankenhaus, während es draußen noch viel mehr Menschen gegeben haben muss, die Hilfe benötigt hätten. Das wirft die Frage auf, nach welcher Systematik die Entscheidungen getroffen wurden“, wird Robb im Guardian zitiert.

Als wahrscheinlich wird angesehen, dass man im Hospital bewusst ein breites gesellschaftliches Spektrum bediente, um für den Betrieb notwendige Zuwendungen und Spenden aus möglichst unterschiedlichen Quellen zu erhalten.

Dies könnte der Grund sein, weshalb es gelang, das Überleben des Krankenhauses für rund 300 Jahre zu sichern. Wirtschaftlich hatte man sich sozusagen breit aufgestellt, was letztlich zu der hoch interessanten „Mischung“ auf dem Friedhof führte.

Neue Webseite erzählt Geschichten einiger Menschen auf sehr anschauliche Weise

Eine neue Website, die am Freitag zusammen mit einem in der Zeitschrift Antiquity veröffentlichten Forschungsbericht veröffentlicht wurde, erzählt die Geschichten einiger der dort gefundenen Menschen auf sehr anschauliche Weise (s. Bildergalerie).

Da ist zum Beispiel eine männliche Person, die wohlgenährt aufwuchs und scheinbar mehrere Wellen des Schwarzen Todes – der Pest – überlebte. Später muss die Person dann dennoch eine schwere Zeit durchgemacht haben und verstarb im Alter von etwa 60 Jahren an Krebs.

Bei einer anderen Person, diesmal einer Frau, wurde eine entbehrungsreiche Kindheit diagnostiziert, aus der man sie kleinwüchsig und unterernährt in ein hartes Arbeitsleben entsandte. Sie muss Anfang 20 an Tuberkulose erkrankt und nach dem Krankenhausaufenthalt verstorben sein.

Ein mehr als spannendes Projekt, von dem man sicherlich noch viel hören wird. Und das hoffentlich auch mit Blick auf andere Grabstätten als Beispiel dienen kann, um längst verblichene Gesellschaften / Gemeinschaften wieder aufleben zu lassen.

Hintergrund: Cambridge, in dem heute etwa 125.000 Menschen leben, wurde mehrfach von der Pest heimgesucht. In den Jahren 1665 und 1666 (also nach dem Untersuchungszeitraum) fielen der Seuche gesichert 920 Einwohner zum Opfer.

Unser QUIZ zum Thema ENGLAND

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