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„Bild von wehrloser Abschlachtung muss Stück weit revidiert werden“

England: Mönche leisteten Wikingern in Kent weit mehr Widerstand als bislang angenommen

Englische Archäologen sind anhand von Ausgrabungen und Quellenanalysen zu dem Schluss gelangt, dass einige angelsächsische Klöster den Angriffen der Wikinger vor gut 1200 Jahren weit besser standhalten konnten als bisher angenommen.

Lyminge Zeichnung
Auszug aus einer Karte von Lyminge von Thomas Hill / 1685.
(Bildrechte: Lyminge Historical Society)

Allen voran Lyminge, ein Kloster in Kent, das sozusagen in vorderster Front stand. Es musste wiederholt heftige Angriffe der Wikinger abwehren – und tat dies offenbar für fast ein Jahrhundert mit bislang ungeahnt großem Erfolg.

Dazu muss man wissen: Die Grafschaft Kent bekam im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert die volle Wucht der Wikingerangriffe zu spüren. Neuen Beweisen zufolge brach die Klostergemeinschaft von Lyminge dabei aber nie zusammen. Sie war wohl deutlich resilienter, als Historiker bisher annahmen.

Zurückzuführen ist dies nach neuesten Untersuchungen von Archäologen der University of Reading auf wirksame Verteidigungsstrategien, die die kirchlichen und weltlichen Herrscher von Kent in der betreffenden Zeit eingesetzt hatten.

Lyminge Landkarte
Die ungefähre Lage von Lyminge in Kent – Jahrzehnte im Fokus von Wikinger-Angriffen.
(Eigene Darstellung / Wikipedia)

Dazu hat Dr. Gabor Thomas nach Analyse archäologischer und historischer Funde sehr interessante Beweise vorgelegt. Sie scheinen bisherigen Denkmustern fundamental zu widersprechen, wie der Wissenschaftler vor wenigen Tagen in einem Interview mitteilte:

„Das Bild von rücksichtslosen Wikinger-Räubern, die hilflose Mönche und Nonnen abschlachten, muss wohl ein Stück weit revidiert werden. Denn unsere Untersuchung zeigt, dass die Klöster viel widerstandsfähiger waren, als wir bislang erwartet haben.“

Ein Beispiel: Historische Aufzeichnungen, die in der nahegelegenen Kathedrale von Canterbury aufbewahrt werden, zeigen, dass die Klostergemeinschaft von Lyminge nach einem Überfall im Jahr 804 n. Chr. in der relativen Sicherheit von Canterbury Zuflucht fanden.

Lyminge
Im Boden von Lyminge fanden jahrelang archäologische Grabungen statt. (Foto: YouTube)

Die Ausgrabungen von Dr. Thomas aus den Jahren 2007 bis 2019 zeigen jedoch, dass die Mönche nicht nur zurückkehrten und reparierten, sondern ihre Siedlung noch mehrere Jahrzehnte im 9. Jahrhundert gezielt ausbauten. Ein Erstarren vor der Wucht der Wikinger gab es demnach nicht.

Stattdessen lieferten Artefakte wie Silbermünzen, die an der Fundstelle entdeckt wurden, dem Forscherteam tiefe Einblicke in das Wiedererstarken der Mönchsgemeinschaft am kriegerischen Brennpunkt-Standort Lyminge.

„Sie waren widerstandsfähiger als das Bild, das in populären Berichten über Wikingerüberfälle gezeichnet wird, die auf historischen Ereignissen wie dem legendären Wikingerüberfall auf das Inselkloster Lindisfarne im Jahr 793 n. Chr. basieren“, so Dr. Thomas.

(Video-Dokumentation zu Ausgrabungen in Lyminge mit zahlreichen O-Tönen von Dr. Gabor Thomas / auf englisch)

Dies galt zumindest für die Zeit vor Ende des 9. Jahrhunderts, als das Kloster schließlich doch vollständig aufgegeben wurde. „Dies war wohl auf den anhaltend hohen Druck der Wikingerheere zurückzuführen, die in den 880er und 890er Jahren in Kent aktiv waren“, so Dr. Thomas.

Im 10. Jahrhundert wurde Lyminge schließlich wiederbesiedelt, dann allerdings unter der Autorität der Erzbischöfe von Canterbury. Diese hatten die Ländereien, die früher zum Kloster gehörten, zwischenzeitlich erworben.

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