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So dürfte er ausgesehen haben

Norwegen: 8.300 Jahre alter Höhlenmensch „Viste-Junge“ digital rekonstruiert

Manchmal ist man einfach nur baff, was die neuen Technologien so alles draufhaben. Zum Beispiel ist es heute möglich, uralte Skelettfunde mithilfe von CT-Scans und allerhand Datenmaterial so zu modellieren, dass daraus quasi lebensechte Rekonstruktionen entstehen.

Foto 1: Oscar Nilsson
Foto 2: University of Stavanger
Foto 3: Oscar Nilsson
Foto 4: University of Stavanger

Bestes Beispiel hierfür ist der sogenannte „Viste-Junge“ (Vistegutten), der vor etwa 8.300 Jahren in Norwegen lebte und dort eines Tages womöglich mutterseelenallein in einer Höhle verstorben ist. So jedenfalls lautet die Vermutung von Archäologen, die sich jüngst mit dem Skelettfund befasst haben.

Bekannt ist, dass der Junge zum Zeitpunkt seines Todes etwa 15 Jahre alt und nur rund 1,25 Meter groß war. Selbst für die Zeit, in der er lebte, müsste das der Forschung zufolge deutlich unter dem Durchschnitt gewesen sein.

Bekannt ist zudem, dass der Junge an einer Schädeldeformität namens Skaphozephalie „gelitten“ hat. In der Folge entwickelte sich sein Kopf tendenziell kantiger und schmaler als bei normalen Wachstumsverläufen.

Jedoch ist Skaphozephalie nicht mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung gleichzusetzten. Der Hauptgrund für das frühe Ableben des Viste-Jungen dürfte also ein gänzlich anderer gewesen sein. Zumal seine sterblichen Überreste darauf hindeuten, dass er gut genährt und insgesamt gesund war.

Ob sich diese Fragen noch werden klären lassen, ist freilich offen. Nicht so jedoch die Frage nach dem vermutlichen Aussehen des mesolithischen Teenagers, das nun Oscar Nilsson, ein Gerichtsmediziner aus Schweden, nach monatelanger Analysearbeit rekonstruiert hat.

Seit Ende Januar sind die erstaunlichen Ergebnisse live und in Farbe im Museum Hå Gamle Prestegard in Südnorwegen zu sehen (Gemeinde Nærbø bei Stavanger). Spannend ist das auch deshalb, weil der Junge schon vor mehr als 100 Jahren (exakt 1907) gefunden worden ist. Nur war er seither eben gesichtslos.

Fundort war damals eine Höhle in Randaberg an der Westküste Norwegens, woran sich auch die Rekonstruktion orientiert. Dargestellt wird ein barfüßiger Teenager mit dunklem, schulterlangem Haar, der am felsigen Ufer steht. Er hält eine Angel in der Hand und trägt eine Ledertunika.

„Der Angelhaken, den die Rekonstruktion des Jungen in der Hand hält, ist eine Nachbildung eines der Funde aus der Höhle“, teilte Nilsson zu seiner Arbeit mit. Die Höhle, in der man ihn fand, ist etwa 9 Meter tief und 5 Meter breit.

Die Höhle des Viste-Jungen war gut ausgestattet – er muss dort gelebt haben

Die Höhle war den Aufzeichnungen zufolge gut gefüllt mit Essbarem und Essensresten, aber auch mit Ornamenten und Handwerkszeug wie Fischereigeräten, Harpunen und Knochenspitzen mit Widerhaken.

Das bedeutet: Der Viste-Junge dürfte in der Höhle nicht nur kurz Unterschlupf gefunden, sondern dort gelebt haben. Umso bemerkenswerter, dass man durch die unglaubliche Arbeit Nilssons nun auch ein Gesicht zu der Vorstellung hat.

Für die Rekonstruktion wurden zwei Computertomografiescans (CT) des Schädels angefertigt, die es Nilsson ermöglichten, eine 3D-gedruckte Kunststoffreplik zu erstellen.

Da er sich über die Dicke des Gesichtsgewebes des Jungen nicht sicher war, stützte sich der Gerichtsmediziner auf Messungen, die an zeitgenössischen 15-Jährigen aus Nordeuropa durchgeführt wurden.

„Natürlich wissen wir nicht, wie übertragbar diese Messungen auf jemanden sind, der vor über 8.000 Jahren gelebt hat“, sagte Nilsson. „Aber es ist das Beste, was wir vermuten können.“

Eine DNA-Analyse des Jungen ergab, dass seine Haut-, Haar- und Augenfarbe „wahrscheinlich anderen norwegischen Funden aus dieser Zeit nahekommt“, so Nilsson weiter. Also entschied man sich für braune Augen, dunkles Haar und eine mittlere Hautfarbe.

„Als ich tiefer in das Projekt einstieg, wurde ich das Bild eines einsamen Jungen nicht mehr los“, sagte Nilsson. „Ich stelle ihn mir auf dem Weg zum Meer vor, um Fische zu fangen.“

Die skelettierten Überreste wurden in der Höhle gefunden, die mesolithischen Jägern und Sammlern als Wohnort diente. Es ist unklar, ob der Junge dort gestorben ist. Oder ob er nach seinem Tod in die Höhle gelegt wurde, wie LiveScience berichtet.

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