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„Beitrittsantrag kann in einer sehr kurzen Zeitspanne bearbeitet werden“

Schweden und Finnland: Nie zuvor war die NATO so beliebt in der Bevölkerung

Der russische Einmarsch in der Ukraine hat den Status quo in den traditionell bündnisfreien Ländern Finnland und Schweden auf den Kopf gestellt. Man spricht von einem „historischen“ Anstieg der Unterstützung für die Nato, „Ausnahmen“ für Waffenexporte und Trotz gegenüber den russischen Drohungen und Forderungen.

Nato Finnland Schweden
Pressekonferenz des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg im Anschluss an eine außerordentliche Sitzung der NATO-Ukraine-Kommission Ende Februar. (Quelle: NATO)
Stockholm und Helsinki haben einen Antrag auf Beitritt zum Nato-Militärbündnis vorerst ausgeschlossen, aber die beiden Länder waren noch nie so nah dran, den Schritt zu wagen, sagen Fachleute.

„Im Moment ist alles möglich, und das Signal der Nato-Länder ist, dass ein Beitrittsantrag in einer sehr kurzen Zeitspanne bearbeitet werden kann“, sagte Zebulon Carlander, Verteidigungsanalyst bei der Organisation „Gesellschaft und Verteidigung“ (Folk och Försvar) in Schweden.

„Ich denke also, dass es sich um eine politische Entscheidung handelt, die in den Hauptstädten Stockholm und Helsinki getroffen wird“, sagte er gegenüber AFP.

Die beiden Länder sind offiziell bündnisfrei, obwohl sie seit Mitte der 1990er Jahre Partner der Nato sind und ihre neutrale Haltung am Ende des Kalten Krieges aufgegeben haben.

Das finnische Parlament hat am Dienstagnachmittag darüber beraten, wie es auf ein Bürgerbegehren reagieren soll, das ein Referendum über die Nato-Mitgliedschaft fordert.

Das Bürgerbegehren hat in weniger als einer Woche die erforderlichen 50.000 Unterschriften erreicht, um die Eduskunta, das finnische Parlament, mit der Angelegenheit sich befassen zu lassen.

Das Ergebnis der Debatte am Dienstag ist: Finnland werde die Entscheidung über einen Antrag auf Vollmitgliedschaft im Nato-Militärbündnis nicht überstürzen, sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin gegenüber Yle Uutiset.

Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders Yle spricht sich erstmals eine Mehrheit (53 Prozent) der Finn:innen für einen Beitritt zum Atlantischen Bündnis aus.

Das ist fast doppelt so viel wie vor einem Monat, als eine Umfrage der Zeitung Helsingin Sanomat nur 28 Prozent der Befragten für einen NATO-Beitritt ausmachte.

„Dies ist ein historisches und außergewöhnliches Ergebnis“, sagte Charly Salonius-Pasternak, Forschungsbeauftragter am Finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Auch in Schweden ist die Unterstützung für einen Nato-Beitritt historisch hoch – laut einer Umfrage des öffentlichen Rundfunksenders SVT vom vergangenen Freitag liegt sie bei 41 Prozent.

Russland baut Drohkulisse auf

Eine weitere radikale Änderung im Vorgehen der beiden nordischen Länder ist ihre Bereitschaft, Waffen in ein Land zu exportieren, das sich in einem aktiven Konflikt befindet.

Neben Schutzausrüstungen für die Ukraine, darunter Helme und Schutzwesten, wird Stockholm 5.000 Panzerabwehrwaffen liefern.

Dies sei ein „außergewöhnlicher“ Schritt, betonte Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, wie es ihn seit dem Winterkrieg 1939 nicht mehr gegeben habe, als Schweden Finnland bei der Abwehr einer Invasion durch die Sowjetunion unterstützte.

„Ich denke, dies ist wahrscheinlich erst der Anfang einer Neubewertung der schwedischen Sicherheitspolitik“, sagte Carlander. „Und wir erleben jetzt auch eine Debatte darüber, welche weiteren Maßnahmen zur Stärkung der schwedischen Streitkräfte ergriffen werden könnten.“

In einer weiteren „historischen Entscheidung“, so Sanna Marin, stimmte auch Finnland am Montag zu, Waffen an die Ukraine zu liefern, darunter 2.500 Sturmgewehre, Munition und 1.500 Einweg-Panzerabwehrwaffen.

Parallel dazu melden die schwedischen und finnischen Armeereserven einen Anstieg der Anmeldungen.

Ein Nato-Beitritt Finnlands und/oder Schwedens – Experten gehen davon aus, dass die beiden Länder gemeinsam handeln werden – würde den Kreml zu einer Zeit verärgern, in der die Spannungen zwischen Russland und dem Westen bereits explosiv sind.

Die Osterweiterung der Nato ist eine rote Linie für Moskau, das sich seit dem Ende des Kalten Krieges vom Westen in dieser Frage verraten fühlt.

Am vergangenen Freitag warnte das russische Außenministerium, dass ein Beitritt der nordischen Länder zur Nato „ernste militärische und politische Auswirkungen“ haben würde.

Finnland tat dies als eine Warnung ab, die es schon einmal gehört hatte und die nicht auf eine Invasionsdrohung hinauslief.

Stockholm und Helsinki schließen offiziell weiterhin einen Beitrittsantrag aus. Dennoch haben sie in den letzten Wochen Schritte unternommen, um sicherzustellen, dass die Tür zum Bündnis – und dessen Kernartikel 5 zur gemeinschaftlichen Verteidigung – für sie offen bleibt.

Artikel 5 – der Nato-Bündnisfall

Nach Artikel 5 vereinbaren die Nato-Mitglieder, dass ein bewaffneter Angriff gegen mindestens ein Mitglied als ein Angriff gegen alle Nato-Mitglieder angesehen wird.

Die Nato-Staaten sind dann verpflichtet, ihr völkerrechtlich verankertes Recht zur individuellen oder gemeinschaftlichen Selbstverteidigung zu nutzen und den Angegriffenen auch mithilfe von Waffengewalt beizustehen. Dies diene dazu, „die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“, wie es im Vertrag heißt.

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