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Impfgegner und Verschwörungstheoretiker empören sich gemeinsam

Buchhandelskette nimmt Anti-Impfbuch aus den Regalen

Die estnische Übersetzung des italienischen Buchs „Impfung: Ja oder Nein?“ wurde Mitte Dezember in Estland veröffentlicht. Das Buch enthält jede Menge Behauptungen, die keinem wissenschaftlichen Vergleich standhalten. Nach viel Kritik, die sich gegen das Buch richtete, hat die estnische Buchhandelskette Rahva Raamat das Buch aus dem Verkauf genommen.

Impfung
Impfung. (Foto Lu Ann Hunt)

Der Verlag, der die Übersetzung auf den Markt brachte, sowie eine Schar von Impf-Gegnern und Unterstützern sind empört. Sie verkaufen das Buch online und in einigen anderen Geschäften, darunter die zweite große Handelskette für Bücher, Apollo. Das berichtete an Heiligabend die Website des estnischen öffentlich-rechtlichen Senders ERR.

„Impfung: Ja oder Nein?“ wurde von den italienischen Autoren Stefano Montanari und Antonietta Gatti, sowie dem Franzosen Serge Rader verfasst. Die drei untersuchten 30 in Europa übliche Impfstoffe unter dem Elektronenmikroskop, dabei fanden sie potentiell gefährliche Nanopartikel, heißt es bei ERR. Die Autoren behaupten, dies sei der Beweis, dass Impfungen Autismus, Allergien, multiple Sklerose, sowei andere Kranheiten verursachten. Da die Autoren an Universitäten arbeiten, wiegen diese Behauptungen, die als „wissenschaftliche Arbeit“ präsentiert wurden, schwer.

Bei genauer Betrachtung, heißt es in dem Artikel, treten einige Ungereimtheiten zutage. Zunächst, die Ergebnisse der Studie wurden im International Journal of Vaccines and Vaccination veröffentlicht. Dahinter steckt das Unternehmen MedCrave, – dieses ist dafür bekannt, wissenschaftliche Arbeiten gegen Bezahlung zu veröffentlichen. Dieses Journal wird von Wissenschaftlern weithin nicht anerkannt.

Desweiteren stellt der Verfasser des Artikels die Methodik der drei Autoren in Frage. Die Untersuchung fand unter dem Elektronenmikroskop statt, einem Gerät, das winzigkleine Partikel verschiedenen Materials sichtbar macht. Das bedeute, man finde zwangsläufig Rückstände von Aluminium und anderen Metallen, die die Autoren für den Beweis ihrer Theorie halten, im Körper, argumentiert der Journalist des ERR. Zum Beispiel, enthalte jeder menschliche Körper etwa 2 mg Gold. Die Europäische Arzneimittel-Agentur und das British Medical Journal bestätigten im Februar des Jahres, dass die Methodik der Untersuchung unter einem Elektronenmikroskop immer zu dem festgestellten Befund führt; die Mengen sind jedoch so gering, dass von ihnen keinerlei Gefahr ausgeht. Die Imfgegner-Gemeinde im Netz habe das Buch jedoch dankbar aufgenommen, sie sehe darin den Beweis für die globale Big-Pharma-Verschwörung, heißt es im Artikel des ERR.

Die Verwicklung der Politik

Dr. Gatti und Dr. Montanari standen in Verbindung mit der Universität Modena und Reggio Emilia. Diese habe ihnen die Benutzung des universitätseigenen Elektronenmikroskops zu diesen Forschungszwecken untersagt, heißt es in dem Artikel. An diesem Punkt erfuhren die beiden Forscher Hilfe von unerwarteter Stelle: Beppe Grillo, der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung, startete eine Online-Spenden-Aktion, um das Geld für ein Elektronenmikroskop zu sammeln. Es kamen schließlich 375.000 Euro zusammen, die drei Forscher konnten nun mit ihrem eigenen Gerät experimentieren. Man muss wissen, dass Grillo und seine populistische Partei unter anderem folgende Standpunkte propagieren: Impfung sei schlecht und sollte abgeschafft werden, AIDS sei eine Erfindung der Pharmaindustrie, Impfung verursache Homosexualität, etc. pp.

Eine seltsame Verbindung nach Estland

Hinter der Publikation und Verbreitung in Estland steht der Verlag OÜ Südailm, ein Unternehmen, das erst in diesem Frühjahr angemeldet wurde. Vorstand des Unternehmens ist eine gewisse Liis Ellert, die in Verbindung mit der politischen Bewegung namens Estnische Überlebensgemeinschaft (Eesti Ellujäämise Kogukond) steht, die bei Kommunalwahlen 2017 in Tallinn 0,1% der Stimmen erhielt. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe sie sich über die Gefahren von elektromagnetischer Strahlung geäußert. Aus diesem Grund sei sie auch gegen den Ausbau des G5-Mobilfunknetzes.

Als Rahva Raamat das Buch aus seinen Regalen entfernte, gab es einen großen Aufschrei in den Sozialen Medien. Die Impfgegner- und Alternativmedizin-Szene empörte sich in verschiedenen Artikeln auf Online-Plattformen. Darunter die „Vereinigung der Eltern impfgeschädigter Kinder“, sowie „Nebenwirkungen von Medikamenten und Impfstoffen“.

Unterstützung erhielt der Verlag außerdem von Enn (Atma) Kalju von der kürzlich gegründeten Biodiversitätspartei. Kalju ist für die Behauptungen bekannt, dass Krebs mit Papaya und Backsoda geheilt werden könne, Diabetes mit dem Meerrettichbaum [Moringa oleifera] behandelbar sei und Leukämie von Impfungen komme.

In Italien sind Erkrankungen, die klassischerweise mit einer Impfung verhindert werden können, seit Jahren auf dem Vormarsch. Im Jahr 2017 gab es allein 5.000 Masern-Erkrankungen, 2014 waren es noch 1.700 Fälle. In Ländern wie Finnland andererseits, wo Impfprogramme für eine flächendeckende Aufklärung und Verabreichung sorgen, gilt Masern als praktisch ausgerottet. Im Jahr 2014 wurden dort 3 Fälle von Masern gemeldet.

ap

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