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Riesiger Zeitvorteil, hohes Risiko

Neue Studie: Mutige Händler reisten schon vor 4.000 Jahren per Boot über die Nordsee

Neue Untersuchungen legen nahe, dass Menschen schon vor 4.000 Jahren die offene See zwischen Norwegen und Dänemark überquerten. Die Seefahrt in der Stein- und Bronzezeit war demzufolge deutlich weiter als lange gedacht. Vor allem in Norwegen und den nordischen Ländern.

Boot Norwegen 4000 Jahre alt
Mit solchen Booten könnten Menschen vor über 4.000 Jahren die gefährliche Überfahrt gewagt haben. (Foto: Lennart Larsen / National Museum of Denmark)

Die Boote konnten Dutzende Menschen transportieren, es waren weit mehr als nur ausgehöhlte Baumstämme.
„Unsere Untersuchung zeigt, dass Überfahrten direkt über die Nordsee zwischen Dänemark und Norwegen vermutlich schon vor 4.300 Jahren stattfanden“, sagt Knut Ivar Austvoll von der Universität Oslo.

„In der norwegischen Archäologie sind wir uns schon lange einig, dass es zu dieser Zeit viele Kontakte zwischen Südnorwegen und Nordjütland gegeben haben muss. Die Funde ähneln sich einfach zu sehr“, so Austvoll weiter.

Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Göteborg (mit Austvoll als einzigem Norweger) hat nun Daten gesammelt und Modelle entwickelt, um die Seefahrt vor 3.000 bis 4.000 Jahren besser zu verstehen und modellhaft zu rekonstuieren.

Ihre Ergebnisse bringen neue Einblicke in die Seefahrtskunst der Stein- und Bronzezeit. Die Forscher wissen nun auch, welche Routen über Nordsee, Skagerrak und Kattegat am wahrscheinlichsten waren. Die direkte Strecke von Nordwestjütland nach Lista in Südnorwegen etwa misst rund 110 Kilometer offene See.

„Auch wenn die direkte Überfahrt gefährlich war, war sie wohl im Sommer die bevorzugte Route“

Zum Vergleich: Wer stattdessen die Küste entlang paddelte – von Jütland nach Bohuslän, dann zum Oslofjord und weiter entlang der norwegischen Südküste – war fast 700 Kilometer unterwegs.

„Auch wenn die direkte Überfahrt gefährlich war, war sie wohl im Sommer die bevorzugte Route“, erklärt Austvoll. Sie war schlichtweg die effizienteste für den frühen Handel mit Metallen und anderen begehrten Gütern in Richtung Süden.

Konkret: In der späten Steinzeit reisten Menschen aus Norwegen nach Dänemark, um Feuerstein für Werkzeuge zu holen. Etwas später wurde es für die Menschen im Norden wohl noch wichtiger, Bronze zu beschaffen. Auch dafür fuhren sie über die Nordsee.

In der Bronzezeit, vor 2.500 bis 3.700 Jahren, waren Boote das Rückgrat eines Handelsnetzes, das womöglich von Nordnorwegen bis ans Mittelmeer reichte. In Mitteleuropa konnten Händler oft Flüsse oder Küsten nutzen. Nur der recht schmale Ärmelkanal musste wirklich überquert werden. Die Strecke von Südnorwegen nach Jütland war hingegen dreimal so lang.

Handelsroute Norwegen Dänemark
Neue Untersuchungen zeigen, wie erheblich der Zeitvorteil bei der Route über die offene See war. (Darstellung: Bengtsson et al., 2025)

Das am besten erhaltene Boot aus der Bronzezeit ist das 2.400 Jahre alte Hjortspring-Boot, heute im Nationalmuseum in Kopenhagen. Seine Plankenbauweise erinnert an moderne Techniken im Holzbootbau – und an Felsritzungen in Skandinavien.

Die Boote mussten Wellen bis zwei Meter und Windgeschwindigkeiten bis zehn Knoten standhalten

„Wir bauen auf Theorien auf, die es schon lange gibt – aber erstmals haben wir wissenschaftliche Daten, die diese waghalsige Seereise stützen“, sagt Austvoll. Das Hjortspring-Boot – gefunden 1921 in einem Moor auf der Insel Als – war Modell für die Simulationen der Forscher.

Es bot Platz für 20 Paddler und einen Steuermann. Die Simulationen kombinierten Daten zu Wind, Wellen und Strömungen. Ergebnis: Direkte Überfahrten waren im Sommer möglich. Die Boote mussten dabei Wellen bis zwei Meter und Windgeschwindigkeiten bis zehn Knoten standhalten.

Eine direkte Fahrt von Norwegen nach Dänemark dauerte 16 bis 20 Stunden. Die Küstenroute über Bohuslän konnte hingegen 12 bis 22 Tage dauern. Ein enormer Unterschied also, der fast jedes Risiko rechtfertigte.

Wahrscheinlich fanden solche direkten Überfahrten schon vor 4.300 Jahren regelmäßig statt. „Unsere Studie zeigt: Die kürzere, aber riskante Direktverbindung erklärt am besten die engen Kontakte zwischen Südnorwegen und Nordjütland“, so Austvoll gegenüber Science Norway.

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