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Ein Wendepunkt der Geschichte

England: 30 Wracks aus legendärer WW2-Rettungsmission vor Dünkirchen identifiziert

Vom 25. September bis zum 8. Oktober 2023 hat Historic England zusammen mit einem französischen Institut für maritimes Kulturerbe 30 Wracks untersucht und identifiziert, die im 2. Weltkrieg während der legendären „Operation Dynamo“ vor Dünkirchen gesunken sind.


Bild 1: Das Wrack des Zerstörers HMS Keith in einer Fächerecholot-Aufnahme. (Historic England / MSDS Marine)
Bild 2: Die als Truppentransporter beschlagnahmte und am 30. Mai 1940 bei einem Luftangriff versenkte „Normannia“. (Historic England / MSDS Marine)
Bild 3: Aktuelle Fächerecholot-Aufnahme der „Normannia“. (Historic England / MSDS Marine)
Bild 4: Britische Soldaten warten nach geglückter Evakuierung an Bord eines Zerstörers in Dover darauf, das Schiff verlassen zu dürfen. (IWM H 1628)
Bild 5: Das Forschungsschiff „André Malraux“, mit dem die Suche nach den Schiffswracks durchgeführt wurde. (Frédéric Osada / Drassm)

Damals – konkret Mitte 1940 – ging es darum, fast 340.000 überwiegend britische Soldaten vor einer fatalen Einkesselung durch die Wehrmacht zu bewahren. Hitler selbst hatte seinen vorstürmenden Truppen aus nicht abschließend geklärten Gründen den Haltebefehl erteilt.

Dadurch öffnete sich Ende Mai, Anfang Juni ein schmales Zeitfenster, um „die Jungs“ über den Ärmelkanal heimzuholen. Die Evakuierung gelang mit einer improvisierten Armada aus Marineschiffen und privaten Booten, teils Fischkuttern.

Letztlich konnten in aller Kürze 900 Schiffe für die Rettung organisiert werden. Operation Dynamo war damit nicht nur ein wichtiger erster Punktsieg Winston Churchills gegen Nazi-Deutschland, sondern markierte mit dem „Miracle of the little ships“ auch eine Art Grundstein für den britischen Durchhaltewillen im gesamten Krieg.

„Das Ausmaß und der menschliche Preis der Evakuierung werden deutlich vor Augen geführt“

Dass die beispiellose Rettungsaktion dennoch verlustreich war, zeigt nicht zuletzt die große Zahl der vor Dünkirchen liegenden Wracks. Die nun abgeschlossene Untersuchung hatte das Ziel, die Identität und den Zustand der Schiffe zu ermitteln. Und zwar in nie dagewesener Detailtiefe.

„Wenn man diese Wracks zum ersten Mal so detailliert sieht, werden einem das Ausmaß und der menschliche Preis der Evakuierung deutlich vor Augen geführt“, teilte Historic England im Rahmen der Ergebnisdarstellung mit.

Weiter heißt es dort: „Es ist sehr bewegend zu sehen, dass zum ersten Mal seit den Ereignissen in Dünkirchen während des 2. Weltkriegs neue Details von fast 30 Schiffswracks im Zusammenhang mit der Operation Dynamo auftauchen.“

Mithilfe eines Fächerecholots entstanden sehr detaillierte 3D-Bilder vom Meeresboden

Das für die Untersuchung verwendete Hauptinstrument war ein Fächerecholot, das unter dem Rumpf des Forschungsschiffes André Malraux angebracht war. Die Daten dienen Geophysikern, um sehr detaillierte 3D-Bilder von Merkmalen am Meeresboden zu erstellen. In diesem Falle Schiffswracks.

Während der Untersuchung wurden 27 Wracks geortet und untersucht, wobei die Position von 12 dieser Schiffe vor der Vermessung nicht genau bekannt war. 4 Wracks, die entweder völlig zerstört wurden oder von Sand bedeckt sind, konnten nicht gefunden werden.

Weitere 19 Merkmale wurden untersucht, von denen 3 offenbar mit der Lage und den Merkmalen von Schiffen übereinstimmen, die während der Operation Dynamo verlorengingen und zuvor unentdeckt geblieben waren.

Eines der untersuchten Schiffe war die „Normannia“, die in England als Truppentransporter beschlagnahmt worden war und am 30. Mai 1940 durch einen deutschen Luftangriff versenkt wurde. In der Bildergalerie oben ist eine Fächerlotaufnahme des Wracks zu sehen.

Auftakt eines mehrjährigen meeresarchäologischen Projektes – 2024 folgen Tauchgänge

Die Vermessungsdaten waren detailliert genug, um die Identität von insgesamt 19 Wracks zweifelsfrei zu klären. Nachgewiesen wurde auch, dass sich viele der Wracks von 1940 noch in einem relativ guten Zustand befinden.

Die nun veröffentlichten Ergebnisse sind Teil der ersten Phase eines meeresarchäologischen Projektes, das sich noch über Jahre erstrecken wird. Die Untersuchung 2023 sollte grundlegende Informationen für Tauchuntersuchungen liefern, die dann 2024 beginnen werden.

Alle gesammelten Informationen, die durch weitere Forschungen ergänzt werden, sollen der Öffentlichkeit in Museen oder online schnellstmöglich zugänglich gemacht werden, sobald die Untersuchungen weit genug fortgeschritten sind.

Hintergrund: Insgesamt 338.226 Soldaten konnten während Operation Dynamo von Dünkirchen aus evakuiert werden. Darunter fast die gesamte britische Berufsarmee, deren Vernichtung als Expeditionskorps wohl nicht hätte kompensiert werden können.

Umso historisch bemerkenswerter ist der Haltebefehl Hitlers, der eine Evakuierung in diesem Umfang erst möglich gemacht hatte. Jedenfalls gewannen die alliierten Truppen gut drei Tage Zeit, um den Verteidigungsring um Dünkirchen zu stärken. Definitiv ein Wendepunkt der Geschichte.

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