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Pflanzendünger aus der Blase

„Unser Urin ist Gold wert“ – Forscher aus Norwegen plädieren für innovative Toiletten

Wasser, Milch und Erfrischungsgetränke aller Art finden ihren Weg durch den menschlichen Körper und landen als wenig beachtete und schon gar nicht wertgeschätzte Ausscheidung normalerweise in der Toilettenschüssel. Und swoosh.

Dünger Urin-Pellets
So sehen die Urin-Pellets aus. Wenn sie auf einem Feld ausgebracht werden, wachsen die Pflanzen dort besonders gut. (Foto: Björn Vinnerås / Swedish University of Agricultural Sciences | SLU)
Mitarbeiter des Norwegischen Instituts für Bioökonomieforschung (NIBIO) lässt dieser Umstand mehr und mehr den Kopf schütteln. „Denn unser Urin ist Gold wert“, sagt etwa die Forscherin Divina Gracia P. Rodriguez.

Sie fährt fort: „Klar, unser Urin enthält das, was der Körper loswerden will. Aber er kann uns auch Nahrung liefern. Urin enthält schließlich Stickstoff und Phosphor. Mit anderen Worten: Er ist Superfood für die Pflanzenwelt.“

In der Tat geben Landwirte aktuell weltweit viel Geld für synthetische Düngemittel aus, um das Wachstum von Absatzprodukten wie Getreide, Gurken und Tomaten zu gewährleisten. „Dabei wäre unser Urin völlig kostenlos“, sagt Rodriguez.

Auch ihr ist natürlich klar, dass der Gedanke, Urin im großen Stil in der Pflanzenzucht zu verwenden, erstmal gewöhnungsbedürftig klingt. „Aber seine Vorteile sind unbestreitbar. Denken Sie an den ganzen Dünger, der uns mit jedem Toilettengang entgeht“, sagt sie.

Die Toiletten-Technologie: Urin trocknen und in Pellets umwandeln – geruchsfrei

Dazu eine Zahl: Erwachsene Menschen spülen pro Jahr und Person etwa 500 Liter Urin die Toilette hinunter. Daraus ließen sich laut einem Beitrag bei ScienceNorway (LINK) sage und schreibe zwischen vier und sechs Kilo Dünger gewinnen. Und zwar in fester Form.

„Es ist daher höchste Zeit, dass wir anfangen, unsere eigenen Abfälle zu sammeln und zu verwerten“, fordert Rodriguez mit Blick auf technologische Innovationen im Sanitärbereich. Besser gesagt: die innovative Toilette.

Solche Toiletten werden derzeit tatsächlich in Äthiopien getestet, um Urin und Fäkalien getrennt zu sammeln. Das Ganze basiert auf einer Technologie, die es ermöglicht, den Urin zu trocknen und ihn dann in kleine Pellets zu verwandeln.

Sie sind nach dem Umbauprozess völlig geruchslos und können dort ausgebracht werden, wo sie als Dünger benötigt werden. „Aber auch anders ist es völlig ungefährlich“, sagt Anne Spurkland, Professorin und medizinische Forscherin an der Universität von Oslo.

Ihrer Ansicht nach wäre es spielend leicht, Urin auch im flüssigen Zustand im heimischen Garten zu verwenden. „Mischen Sie Urin und Wasser. Ein Teil Urin, neun Teile Wasser – und fertig ist der gute Dünger“, sagt sie.

Urin als Düngemittel wäre zudem kostengünstig und klimafreundlich

Eine Gießkanne mit einer schmalen Tülle könne helfen, das Gemisch in den Boden zu leiten und die Pflanzenblätter zu schonen. Ähnlich wie Rodriguez befürwortet auch Spurkland Versuche mit Urin als Düngemittel in großem Maßstab, weil er „kostengünstig und klimafreundlich“ ist.

„Hier in Norwegen kaufen wir Stickstoff als Kunstdünger. Er ist teuer, und seine Herstellung erfordert viel Energie“, sagt Spurkland. „Es mag eklig klingen, Urin für Pflanzen zu verwenden. Aber es ist völlig sicher“, schildert sie.

Das Geheimnis: Bodenbakterien wandeln den Stickstoff aus dem Urin in neue Bausteine um, die von der Pflanzenwelt optimal genutzt werden. Die düngenden Eigenschaften von Urin sind ohnehin seit Jahren bekannt.

Das lautstarke Werben der Wissenschaft für mehr Kreativität und Offenheit bei dem Thema ist dagegen relativ neu. So oder so: Der Swoosh wird bleiben, nur könnte es im Nachgang irgendwann mal auf getrennte Wege hinauslaufen. Kot kann weg, Urin aufs Feld.

Im Übrigen wird in Schweden der Urin als Gartendünger schon lange geschätzt, wenn man bedenkt, dass mindestens ein Anbieter Urin-Gießkannen für Hobbygärtner vertreibt, und zwar unter der vielsagenden Bezeichnung Guldkannan (die „Goldkanne“).

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