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Lava ist nicht gleich Lava

Lässt sich Lava aufhalten? – Wie Island Städte vor Vulkanausbrüchen schützt

Als im März 2021 der Vulkan Fagradalsfjall auf der isländischen Halbinsel Reykjanes nach 800 Jahren wieder ausbrach, griffen Ingenieure und Forscher zu einem ungewöhnlichen aber naheliegenden Mittel: Erde und Steine. In einem groß angelegten Feldversuch testeten sie erstmals unter realen Bedingungen, ob sich Lavaströme mit künstlichen Barrieren bremsen oder umlenken lassen.

Lavastrom Damm in Island
Der Westdamm mit einer 7 m breiten Kuppe. Eine vibrierenden Walze verdichtet den talseitigen Hang (der gelbe Pfeil zeigt die Hauptrichtung des Lavastroms an, abgesehen von der Ausbreitung im Bereich zwischen dem Damm und dem Lavafeld) (Blick nach Osten). (Abb.: Bernd Kliebhan, Ausschnitt aus einem YouTube-Video)

Lava bremsen – Zeit gewinnen

Das Ziel war klar: Zeit schaffen. Denn wenn Lava auf bewohnte Gebiete oder kritische Infrastruktur zuströmt, zählt jede Stunde. Mithilfe von Baggern und Bulldozern wurden in Rekordzeit Dämme errichtet. Und tatsächlich: Die Barrieren verzögerten den Lavastrom um bis zu 16 Tage – ein gewaltiger Zeitgewinn für Evakuierung und Schutzmaßnahmen.

„Die wichtigste Erkenntnis war: Es funktioniert“, sagt die Bauingenieurin Fjola Gudrun Sigtryggsdottir von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens (NTNU), die den Feldversuch leitete.

Von der Theorie in die Praxis – und zurück

Sigtryggsdottir war zur Zeit des Ausbruchs auf Forschungsurlaub in Island – und direkt eingebunden. Gemeinsam mit Behörden, Ingenieurbüros und Forschenden des isländischen Wetterdienstes half sie, Gefahrenkarten zu erstellen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

Der Ausbruch verwandelte die Region um das Geldingardalir-Tal in ein Freiluftlabor: Forscher testeten unter extremen Bedingungen verschiedene Bauformen und Materialkombinationen für Dämme und Barrieren. Das Wissen floss in einen offiziellen Leitfaden für Lavakontrolle, der seither als Grundlage für künftige Schutzmaßnahmen dient.

Der Praxistest: Grindavík 2023/2024

Nur wenige Jahre später zahlte sich diese Arbeit aus. Als die kleine Küstenstadt Grindavík im Winter 2023 erneut in die Gefahrenzone eines Vulkanausbruchs rückte, wurden rund um die Uhr Barrieren errichtet – mit Erfolg.

„Wären die Dämme nicht gebaut worden, stünden heute mehrere Häuser unter Lava begraben“, sagt Sigtryggsdottir.

Lava ist nicht gleich Lava

Doch Lavakontrolle ist kein simples Bauprojekt. Die Lavaarten verhalten sich unterschiedlich. Pāhoehoe-Lava fließt leicht und kann über Dämme steigen, wenn sie sich anstaut. Blocklava ist zäher, baut Druck auf und kann Schutzdämme wie ein Bulldozer durchbrechen. Die richtige Bauweise muss je nach Lavaart gewählt werden – und oft bleibt dafür kaum Zeit.

Vulkane bleiben unberechenbar

Anfang 2025, während neue vulkanische Aktivitäten unter Grindavík registriert wurden, zeigte sich erneut: Trotz aller Technik bleibt die Natur unberechenbar. Eine neue Spalte öffnete sich direkt hinter einer Schutzbarriere. Glücklicherweise verlief der Ausbruch glimpflich – diesmal.

Trotz aller Risiken zieht Sigtryggsdottir ein positives Fazit:

„Wir können Lava nicht vollständig kontrollieren, aber wir können sie verzögern und umlenken – und damit Leben und Infrastruktur schützen.“

Quelle: Experience in diverting and containing lava flow by barriers constructed from in situ material during the 2021 Geldingardalir volcanic eruption

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