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„Wie bei den Taliban“

Schräger Streitfall: Wurde die kleine Meerjungfrau aus Kopenhagen 400 km nördlich plagiiert?

Wie sie da so sitzt, die kleine Meerjungfrau, als könne sie kein Wässerchen trüben. Keine Sorge, das hat sie auch nicht vor mit ihrem Engelsgesicht. Da bleibt sie ihrer Optik treu, zum Glück.

Etwas faustdicker hinter den Ohren scheint es da das „familiäre“ Umfeld der Kopenhagener Attraktion zu haben, von dem zu lesen ist, dass es wenig Spaß verstehe. Jedenfalls dann, wenn es lizenzrechtlich ernst wird.

Oder besser: Wenn ideeller Schaden an der weltbekannten Skulptur droht, die Edvard Eriksen im Jahr 1913 schuf – sozusagen als plastisches Ebenbild jener zauberhaften Märchenfigur von Hans Christian Andersen, dem großen dänischen Erzähler.

Neuerlicher Stein des Anstoßes ist für Eriksens Nachfahren eine Skulptur, die sich im dänischen Asaa befindet. Hoch im Norden des Landes, gut fünf Autostunden von Kopenhagen entfernt. Aber eben nicht weit genug, und vor allem, nicht anders genug, um lediglich als lokale Attraktion durchzugehen.

Kurzum: Auch am Hafen in Asaa sitzt eine kleine Meerjungfrau und blickt versonnen. Zwar nicht aus Bronze wie in der Hauptstadt, sondern aus Granit gehauen. Und sagen wir es mal so: Der Schöpfer der Nixe kann es sich 2016 nicht zum Ziel gesetzt haben, Ähnlichkeiten zur Kopenhagener Skulptur explizit zu vermeiden. Sie sind einfach da. Unstrittig. Punkt.

Spannend wird es aber bei der Bewertung, wo denn nun künstlerische Freiheiten ins Abgekupferte abgleiten. Ähnliche Streiffälle kennt man ja aus der Musik, der Literatur oder auch der Kulinarik, woraus dann so wundervolle Kreationen wie Wiener Schnitzel und Schnitzel Wiener Art hervorgehen können.

Aber bei einer Meerjungfrau? „Wie hätten wir sie denn hinsetzen sollen? Auf einen Stuhl?“, entgegnete vor wenigen Tagen etwas unwirsch Mikael Klitgaard, der Bürgermeister der Gemeinden Broenderslev und Asaa, als er von der New York Times um eine Einschätzung in dieser Angelegenheit gebeten wurde.

Ja, richtig gelesen, von der New York Times, womit klar sein dürfte, dass der Streitfall inzwischen in der Weltöffentlichkeit angelangt ist. Und damit an einem Punkt, an dem es für gewöhnlich keine einvernehmlichen Lösungen mehr gibt. Sondern nur noch ganz – oder gar nicht.

Und um im Bild zu bleiben: Für „gar nicht“ plädiert Familie Eriksen, die von Asaa nicht nur den Abriss der Skulptur, sondern auch eine finanzielle Entschädigung in Höhe von etlichen tausend Euro fordert.

„Als ich die E-Mail zum ersten Mal erhielt, habe ich gelacht“, teilte Klitgaard der New York Times mit. „Ich dachte, das Ganze sei ein Scherz.“ War es aber nicht, weshalb sich längst die Anwälte beider Seiten in dem Fall verbeißen. Juristisch muss das ein Fest sein.

Landet das Ganze vor Gericht, dürfte es laut NYT darum gehen, welcher Grad an Ähnlichkeit gerade noch akzeptabel ist, um kein lizenzrechtlicher Verstoß zu sein. Dazu folgender Befund: Die Körperhaltungen beider Nixen sind schonmal gleich, das lässt sich nicht leugnen.

Aber Granit ist nicht Bronze. Und Asaa nicht Kopenhagen, was für Laien doch eher nach einem Unentschieden klingt. Das Problem: Ein Unentschieden wird es in dieser Angelegenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben (dürfen).

Daher wird entweder Asaa in Zukunft ohne seine Meerjungfrau auskommen müssen. Oder die Eriksens werden sich in Geduld üben müssen, bis der nächste Künstler irgendwo in Dänemark auf die Idee kommt, mal was mit einer Meerjungfrau machen zu wollen.

Apropos Künstler: Auch Palle Moerk hat sich nun zu Wort gemeldet. Er ist Bildhauer und hat die Meerjungfrau in Asaa geschaffen. Was er von dem Ganzen halte, wurde er von der Times gefragt: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir in Dänemark Kunstwerke zerstören. Das ist doch etwas, was die Taliban tun.“

QUIZ

sh

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