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„Zu groß, um von Hand genutzt zu werden“

England: Rätselhafte „Giganten“-Faustkeile bei Ausgrabungen in Kent entdeckt – 300.000 Jahre alt

Archäologen des Institute of Archaeology am University College in London (UCL) haben in der englischen Grafschaft Kent einige der größten prähistorischen Steinwerkzeuge ausgegraben, die je in Großbritannien gefunden wurden.


Foto 1: Der „Giganten“-Faustkeil aus vier Perspektiven. (Institute of Archaeology / UCL)
Foto 2: Die Ausgrabungsstätte am Medway-Tal östlich von London. (Institute of Archaeology / UCL)
Foto 3: Der größte gefundene Faustkeil misst exakt 29,5 Zentimeter. (Institute of Archaeology / UCL)
Foto 4: Der genaue Fundort des Faustkeils metertief im Boden. (Institute of Archaeology / UCL)
Foto 5: Ausgrabungsleiterin Letty Ingrey mit dem rätselhaften Fund in Händen. (Institute of Archaeology / UCL)

Insgesamt wurden tief in einem Hang des unweit der Themsemündung gelegenen Medway-Tals 800 Artefakte entdeckt, die vermutlich mehr als 300.000 Jahre alt sind. Darunter ein fast 30 Zentimeter langer Faustkeil, dessen schiere Größe den Forschern Rätsel aufgibt.

Ausgrabungsleiterin Letty Ingrey vom UCL dazu: „Wir bezeichnen diese Werkzeuge schon dann als ‚Giganten‘, wenn sie 22 Zentimeter lang sind. Der nun gefundene Keil ist damit eigentlich viel zu groß, um von Hand genutzt worden zu sein.“

Es sei nur schwer vorstellbar, „wie ein Werkzeug dieser Dimension damals gehalten und effektiv gehandhabt wurde.“ Insgesamt zwei der in Kent entdeckten Faustkeile haben das von Ingrey beschriebene Giganten-Maß.

Rätselhafte Fauskeile: Dienten die „Giganten“ eher symbolischen Zwecken?

Spekuliert wird nun, ob die Werkzeuge eine weniger praktische, sondern eher symbolische Funktion zu erfüllen hatten. So besagt eine Theorie, dass der oder die Hersteller mithilfe solcher Unikate ihre Kraft und Geschicklichkeit demonstrieren wollten.

„Im Moment sind wir aber nicht sicher, welchem genauen Zweck derart große Werkzeuge gedient haben könnten. Und wir wissen auch nicht, welche Spezies von Frühmenschen sie hergestellt hat“, gibt Ingrey unumwunden zu.

Der größere der beiden Faustkeile wurde von dem Forscherteam aus vier verschiedenen Winkeln fotografiert (s. Fotogalerie). Klar zu erkennen ist die typische, leicht tropfenartige Form des Keils, spitz zulaufend am einen und deutlich abgeflachter am anderen Ende.

Normal dimensionierte Faustkeile dürften in der Regel zum Schlachten von Tieren und Schneiden von Fleisch verwendet worden sein. Wie auch schon frühere Ausgrabungen bewiesen haben, ist die Themse- und Medway-Region auf britischem Boden für solche Funde prädestiniert.

„Zum Glück bietet diese Fundstelle die Chance, diese spannenden Fragen zu beantworten“, hofft die Archäologin auf baldige Auflösung. Doch wie muss man sich menschliches Leben in Medway Valley vor rund 300.000 Jahren überhaupt vorstellen?

Möglicherweise entstammen die Artefakte frühen Formen der Neandertaler-Kultur

Die Forschung geht aktuell davon aus, dass sich frühe Formen der Neandertaler-Kultur (Homo neanderthalensis) und möglicherweise andere prähistorische Vertreter des Homo sapiens das Gebiet sozusagen teilten.

karte medway
Die Medway-Region im Osten von London an der Themse-Mündung. (Eigene Darstellung / Wikipedia)

Zu dieser Zeit dürfte die Region östlich von London eine wilde Landschaft mit bewaldeten Hügeln und Flusstälern gewesen sein, das auf tierischer Seite wohl von Rothirschen und Pferden, aber auch von längst ausgestorbenen Elefantenarten (Palaeoloxodon antiquus) und sogar Löwen bewohnt wurde.

Dr. Matt Pope vom UCL-Institut für Archäologie dazu: „Die Ausgrabungen haben uns eine unglaublich wertvolle Gelegenheit gegeben zu untersuchen, wie sich eine eiszeitliche Landschaft vor über einer Viertelmillion Jahren entwickelt hat.“

Das Forschungsteam arbeitet nun daran, die geborgenen Artefakte eindeutig zu identifizieren. Ziel ist es, besser zu verstehen, wer sie geschaffen hat und wofür genau sie verwendet wurden. Man kann allen, die an diesem spannenden Rätsel mitwirken, nur Erfolg wünschen.

Hier der Link zu einem Forschungsbericht des Institute of Archaeology am University College in London – natürlich in englischer Sprache. Zudem gibt es unter diesem Link noch ein 3D-Modell des Faustkeils.

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