Facebooktwitterpinterestrssinstagram

Brandneue Erkenntnisse

Bunte Vergangenheit: Das Dänische Nationalmuseum dokumentiert die Geschichte der Farben in Dänemark

Farben ändern sich wie Moden – neue Studien haben die letzten 500 Jahre der Farbgeschichte Dänemarks dokumentiert: Es zeigt sich, dass die Vergangenheit viel bunter war als die Gegenwart.

Ein umfangreiches zweibändiges Werk mit 618 Seiten bietet die erste umfassende Beschreibung der dänischen Farbgeschichte über einen durchgehenden Zeitraum von 500 Jahren, von 1536 bis heute.

Altaraufsatz Farbe
Aquarellzeichnungen eines Ausschnitts des Altaraufsatzes von 1616 in der Kirche von Varde. Das Altarbild wurde 1711 mit warmen roten und kastanienbraunen Farben gemalt, die jedoch 1828 mit grauen und blauen marmorierten Farben übermalt wurden. (Quelle: Nationalmuseet)
„Das sind brandneue Erkenntnisse, die uns heute ein besseres Verständnis dafür vermitteln, wie die von Menschen geschaffene Welt in der Vergangenheit durch die Farben aussah, die die Menschen verwendeten. Wir müssen die Geschichte Dänemarks nicht neu schreiben, aber wir können ihr jetzt ein neues und wichtiges Kapitel hinzufügen, das bisher nicht beschrieben wurde“, sagt Karin Vestergaard Kristiansen, Restauratorin und Kirchenberaterin am Dänischen Nationalmuseum mit einem Doktortitel in Farbgeschichte.

Ihre Forschungsergebnisse hat sie in dem heute erscheinenden zweibändigen Werk „Die farbenfrohe Kirche“ (Den farverige kirke) vorgelegt, das trotz des Titels nicht nur die Farben in der Kirche im Laufe der Geschichte, sondern auch in der sie umgebenden Gesellschaft zeigt.

Altaraufsatz Farbe
1828 wurd der Altar von Varde mit grauen und blauen marmorierten Farben übermalt. (Quelle: Nationalmuseet)
Die Farben, mit denen das Innere der Kirchen gestrichen wurde, entsprachen den Farben, die in der übrigen Gesellschaft in Mode waren.

„Kirchen wurden nicht mit ‚geistlichen‘ Farben gestrichen. Stattdessen wurden die Innenräume der Kirchen mit Farben gestrichen und dekoriert, die nach dem Geschmack der Zeit ausgewählt wurden – mit den Farben, die zu dieser Zeit in Mode waren“, sagt Karin Vestergaard Kristiansen.

„Da die Kirchen noch stehen und im Laufe der Zeit für denselben Zweck genutzt wurden, sind sie ein einzigartiges Quellenmaterial für das Verständnis der Entwicklung und Verwendung von Farben in Dänemark“, sagt Karin Vestergaard Kristiansen“, so die Farbenexpertin weiter.

100 Jahre Farbarchäologie

Farbarchäologie Skarrild Kirche
Die Skarrild-Kirche in der Nähe von Herning wurde in den 1980er Jahren mit roten Farben gestrichen. (Quelle: Nationalmuseet)
Die verschiedenen Farben der Geschichte wurden durch die so genannte Farbarchäologie aufgedeckt. Dies geschieht auf die gleiche Weise, wie wenn Archäologen im Boden graben: Sie schälen Schicht für Schicht Farbe ab und gehen so durch die verschiedenen Epochen der Geschichte zurück. Dies ist möglich, weil die Farben bei Renovierungen nicht entfernt, sondern übermalt wurden.

Die Farbarchäologie wurde in den letzten 100 Jahren in zahlreichen dänischen Kirchen durchgeführt, und die Analysen werden im Antiquarischen Topographischen Archiv des Dänischen Nationalmuseums aufbewahrt.

Farbe Kirche Skarrild
Um 2017 wurde die Skarrild-Kirche schwarz-weiß gestrichen. (Quelle: Nationalmuseet)
„Die Geschichte der Farbe zeigt, dass jede Epoche ihre eigene Auffassung von Farbe hatte, die sich im Laufe der Zeit veränderte, und dass über die Farben, die einst begehrt waren, inzwischen die Nase gerümpft wird. In einem ständigen Streben nach Veränderung wurden neue Farben gewählt, und genau wie die Modetrends änderte sich auch der Geschmack der Zeit. Es kamen neue Farben hinzu oder alte wurden wieder populär“, sagt Karin Vestergaard Kristiansen.

Die Farbgeschichte werfe ein Schlaglicht auf den Drang der Menschen nach Veränderung und sei auch bei Restaurierungs- und Erhaltungsarbeiten am kulturellen Erbe, z. B. an Kirchen und anderen historischen Gebäuden, von Bedeutung, sagt sie.

Die Geschichte der Farbe in Dänemark – Bunter als die Gegenwart

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zur Zeit der Renaissance, bevorzugten die Menschen zum Beispiel rote und leuchtende Farben, während sie gleichzeitig die Farbe von Holz liebten.

Im 17. Jahrhundert, im Barock, kamen diese Farben aus der Mode und wurden durch eine Fülle kräftiger Farben ersetzt, zusammen mit glitzernden Gold- und Silberfarben, die eine fast gleißende Farbenpracht entfalteten.

Im 18. Jahrhundert, zur Zeit des Rokoko, wechselte die Farbschicht zur „Marmorierung“, die mit kräftigen roten, blauen oder grauen Farben Stein imitierte.

Es folgte eine fast farblose Periode, in der im Klassizismus bis Mitte des 18. Jahrhunderts weiß und hellgrau gemalt wurde, danach wurde im Historismus alles braun gemalt, meist als braune Holzimitationen, – diese Vorliebe hielt fast 100 Jahre lang.

Die Mitte des 20. Jahrhunderts ist sehr grau, wahrscheinlich unter dem Einfluss des Weltkriegs, danach folgt eine Bauhaus-Periode mit großen, kräftigen Farbflächen.

Von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute, in der Moderne, wechseln die Farben immer häufiger – die Farbpalette ist dabei größer als je zuvor in der Geschichte. Und doch scheint die Vergangeneheit bunter zu sein als die Gegenwart.

„Man könnte sagen, dass die Vergangenheit viel bunter ist als die Gegenwart. Im Moment befinden wir uns in einer Zeit, in der alles weiß, kalt und farblos sein muss – fast transparent, mit einer weit verbreiteten Verwendung von Glas und Stahl“, sagt Vestergaard und weist darauf hin, dass eine solche Farbwahl in den letzten 500 Jahren der Farbgeschichte noch nicht vorgekommen sei.

Die Periode, die am meisten an die Gegenwart erinnert, ist der Klassizismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Thorvaldsens Marmorfiguren eine Mode für Kirchenausstattungen und geschnitzte Figuren schufen, die ähnlich weiß und hell waren.

„Die farbenfrohe Kirche“ ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts, das alte und neue farbarchäologische Studien als Quellengrundlage verwendet hat.

Das Buch wird vom Syddansk Universitetsforlag mit Unterstützung der Augustinus-Stiftung (Augustinus Fonden) herausgegeben, 618 Seiten in dänischer Sprache, zum Preis von 478 Kronen (564 Euro).

Unser QUIZ zum Thema Dänemark

Sie wollen diesen Beitrag teilen?

Facebooktwitterredditpinterestmail
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest

0 Comments
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen