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„Aufregend und traurig zugleich“

Norwegen: 3000 Jahre alter Jagd-Speer auf ehemaligem Gletscher entdeckt – unfassbar gut erhalten

Den Archäologen von Secrets of the Ice ist in Norwegen (mal wieder) ein ganz besonderer Fund geglückt. Bei den aktuellen Ausgrabungen im Jotunheimen-Gebirge haben die Forscher vor wenigen Tagen einen rund 3000 Jahre alten Jagd-Speer entdeckt, der extrem gut erhalten ist.

Bilder 1 bis 3: Secrets of the Ice

Die schon jetzt als äußerst seltenes Artefakt klassifizierte Waffe dürfte ersten Untersuchungen zufolge um 1300 vor Christus von einem Jäger oder Krieger hoch oben auf dem schneebedeckten Lendbreenpass abgefeuert worden sein.

Bei diesem Kampf gegen Unbekannt ging die kostbare Waffe ganz offensichtlich verloren und konnte erst nun gefunden werden, weil der Klimawandel in der Region immer mehr von den teils jahrtausendealten Schnee- und Eisschichten „verspeist“.

Daher auch der Name Secrets oft he Ice, weil die unter diesem Begriff versammelten Wissenschaftler genau wissen, dass der Klimawandel – so dramatisch die Konsequenzen ansonsten auch sind – aus archäologischer Sicht wie ein Sechser im Lotto ist. Jedenfalls hier oben, wo sonst immer Winter war.

Pfeile mit Muschelpfeilspitzen waren vor dem Abschmelzen des Eises unbekannt

Als recht wahrscheinlich gilt, dass die bronzezeitliche Waffe, deren geschärfter Kopf aus einer Muschel hergestellt wurde, zur Jagd auf Rentiere verwendet wurde. Dr. Lars Holger Pilø von Secrets of the Ice zu dem Fund:

Jotunheimen Gebirge
Die Lage des bis zu 2500 Meter hohen Jotunheimen-Gebirges in Norwegen. (Eigene Darstellung / NordNordWest / CC BY-SA 3.0 DE)

„Das ist ein super seltenes Exemplar. Pfeile mit Muschelpfeilspitzen waren in Europa vor dem Abschmelzen des Eises in Norwegen nicht bekannt. Und das hier ist bisher das bei weitem am besten erhaltene Exemplar.“

Bei der Speerspitze handelt es sich um eine Süßwasserperlmuschel. Also um eine Art, die im Hochgebirge nicht zu finden gewesen sein dürfte. Daher liegt der Schluss nahe, dass der Jäger von einem möglicherweise weit entfernten Fluss hoch in das Gebirge gezogen ist.

Oder ziehen musste, da die Aussichten auf fette Beute nah an den Gletschergebieten des Gebirges besonders gut waren. Hierhin nämlich zogen sich Rentiere bevorzugt zum Schutz vor Parasiten zurück – und wurden so zum Jagdziel der Menschen.

Spektakuläre Funde immer wahrscheinlicher, je mehr sich das Eis zurückzieht

Bei seinem Pressestatement bekräftigte Pilø, dass solch spektakuläre Funde in diesem hoch gelegenen Teil Norwegens immer wahrscheinlicher werden, je mehr sich das Eis zurückzieht. Man muss eben nur ein bisschen warten, bis der Klimawandel seine Arbeit getan hat.

Archäologie Norwegen Klimawandel 6
Die Gletscherarchäologen von Secrets of the Ice profitieren maximal davon, dass Schnee und Eis vom Klimawandel „verspeist“ werden. (Darstellung: Secrets of the Ice)

Daher auch graben die Archäologen aktuell erstmals seit 2017 wieder umfassend in der Region. Und haben einen großen Vorteil: „Da die Artefakte durch das Eis in der Zeit eingefroren wurden, sind sie oft unglaublich gut erhalten“, schildert Pilø.

Aber: „Sobald das Eis schmilzt, beginnt die Uhr zu ticken. Also versuchen wir, die Artefakte so schnell wie möglich zu finden. Als Gletscherarchäologe solche fantastischen Entdeckungen zu machen, ist aufregend und traurig zugleich“, so Pilø weiter, dessen Team aktuell fast täglich fündig wird.

Hintergrund: Forschungsdaten besagen, dass die allermeisten Gletscher in Norwegen schon vor dem Jahr 2100 verschwunden sein werden. Selbst ohne weitere Erwärmung sehen die Voraussagen für Skandinavien einen Verlust von mindestens 60 bis 80 Prozent des ehemals ewigen Eises.

Unser Geographie-Quiz: Norwegen und seine Landschaft

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