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„Hätten mehr gegen Corona tun sollen!“

Schwedens Chef-Epidemiologe selbstkritisch: „Es sind zu viele zu früh gestorben.“

Schwedens Antwort auf Corona heißt Dr. Anders Tegnell. Er ist Chef-Epidemiologe des Landes und hat als solcher erheblichen Anteil am Zustandekommen des sogenannten „Sonderweges“. Jener schwedischen Strategie also, die zur Bewältigung der Corona-Pandemie keine strikten Maßnahmen und Kontaktverbote für Personen der Nicht-Risikogruppe vorsah.

Anders Tegnell Corona Schweden
Anders Tegnell, Chef-Epidemiologe Schwedens. (Foto: Frankie Fouganthin, CC BY-SA 4.0)
Seit Ausbruch des Virus hat sich Schweden damit zu einer Art Eigenbrötler der Corona-Szene entwickelt. International genauestens beobachtet, einerseits mit einer guten Portion Argwohn, andererseits aber auch mit Respekt vor der mutigen Entscheidung.

Daher war schnell klar: Geht die Sache gut, gibt es von allen Seiten Lob und Anerkennung. Scheitert sie, gibt es Kopfschütteln und herbe Kritik. Dazwischen ist im Grunde kein Platz.

Nun ist es für abschließende Urteile sicherlich noch zu früh, schließlich kann kein Land der Erde von sich behaupten, mit Blick auf Corona wirklich sorgenfrei zu sein. Aber der Zwischenstand, nun ja, er könnte für Schweden deutlich besser sein.

In der Tat hat das Land eine Fülle von Todesfällen zu beklagen – erst recht im Vergleich zur deutlich restriktiveren Nachbarschaft. Fast 4.500 Menschen erlagen in Schweden bislang einer Infektion mit Covid-19. Etwa 600 sind es in Dänemark, 250 in Norwegen und knapp über 300 in Finnland.

Entsprechend selbstkritisch meldet sich Tegnell diese Woche in einem Interview mit Sveriges Radio zu Wort. „Ganz offensichtlich gibt es Verbesserungspotential für das, was wir getan haben“, urteilt er. Entgegen seiner früheren Einschätzung hätte man doch schneller und vor allem entschiedener reagieren sollen.

„Würden wir wieder auf dieselbe Krankheit stoßen, liefe es in Schweden wahrscheinlich auf einen Mittelweg zwischen unserem bisherigen Vorgehen und dem der anderen Länder hinaus“, schob er nach. Ob zu viele Menschen zu früh verstorben seien, wurde gefragt: „Ja, absolut“, sagte Tegnell.

In erster Konsequenz bleibt Schweden nun der Start in die (doch noch stattfindende) Urlaubssaison 2020 verwehrt. Norwegen und Dänemark öffnen dieser Tag füreinander die Grenzen – nicht aber für Schweden. Der Sonderling mit der hohen Fallzahl, er muss erstmal draußen bleiben.

Als Begründung schickte Norwegens Gesundheitschef Frode Forland hinterher, Schweden habe sich bei der Corona-Eindämmung wohl zu sehr auf historische Virenmodelle konzentriert – aber eben nicht auf strikte Lockdown-Maßnahmen.

Und auch von schwedischer Fachseite wird das Vorgehen inzwischen öffentlich kritisiert. Wie mehrere schwedische Medien berichten, wurden Dr. Tegnell und seine Familie inzwischen im Netz bedroht. Corona hat die Fachebene längst verlassen.

Lesen Sie auch: Corona: Dänemark und Norwegen öffnen für einander die Grenze – Schweden außen vor

sh

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