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Restauriert nach 1.000 Jahren im Ackerboden

Schottland: Im Mittelalter vergrabener Bergkristall-Flakon erstrahlt wieder in altem Glanz

Als der sogenannte Galloway-Hort 2014 mithilfe eine Metalldetektors auf einem Feld im Westen Schottlands ausgegraben wurde, staunte nicht nur die Fachwelt. Denn zum Vorschein kam die bis dato reichste Sammlung von Artefakten aus der Wikingerzeit, die jemals in Großbritannien oder Irland geborgen werden konnte: eine archäologische Sensation.

Fotos: NMS / Neil Hanna

Nun ist es Spezialisten gelungen, einem zuvor als eher unscheinbar erachteten Teil des Hortes zu altem Glanz zu verhelfen: Einem in Gold gehüllten Bergkristall-Flakon, um genau zu sein, der fast 1.000 Jahre in schottischem Boden gelegen hatte. Und zwar in einem mit Seide ausgekleideten Lederetui.

Dass die Ummantelung nach all den Jahren in keinem guten Zustand war (s. Foto), lässt erahnen, wie kompliziert die Arbeit der Restaurateure gewesen sein muss. Vor allem aber verbarg das Etui bis zuletzt, welch großartiges Gefäß sich in ihm befand.

Der restaurierte Flakon ist etwa 5 Zentimeter groß und dürfte einst ein Parfüm oder eine andere wertvolle Substanz enthalten haben. Möglicherweise eine Flüssigkeit, die im Mittelalter zur Salbung von Königen oder bei religiösen Zeremonien verwendet worden war.

In noch anstehenden Untersuchungen soll versucht werden, mögliche Respartikel im Flakon zu finden und zu analysieren. Es gibt also noch immer Geheimnisse, die das kleine Fundstück hütet.

Experte: Flakon muss schon im Mittelalter sehr wertvoll gewesen sein

Entzückt ist die Fachwelt aber schon jetzt. Dr. Leslie Webster etwa, ehemaliger Leiter der Abteilung Großbritannien, Vorgeschichte und Europa im British Museum in London, teilte laut Guardian mit:

„Bergkristall ist an sich schon ungewöhnlich. Die gläserne Substanz erfuhr in der antiken Welt wegen ihrer Durchsichtigkeit höchste Wertschätzung und wurde mit Reinheit assoziiert. Der Flakon muss also schon zu seiner Zeit etwas ganz Besonderes gewesen sein.“

Landkarte Kirkcudbright
Der ungefähre Fundort des Schatzes im Südwesten Schottlands.

Er habe in seiner beruflichen Laufbahn schon viele angelsächsische Funde gesehen, fuhr Webster fort, „einige von ihnen waren erstaunlich. Aber dieser hier stellt alles in den Schatten.“

Nach einer millionenschweren Fundraising-Kampagne ging der aus etwa 100 Gegenständen bestehende Galloway-Hort im Jahr 2017 in den Besitz des National Museum Scotland (NMS) über. Dr. Martin Goldberg, Hauptkurator für frühmittelalterliche und wikingerzeitliche Sammlungen des NMS, ist sich sicher, dass der Bergkristall bereits in der Römerzeit geformt worden ist.

Das Gefäß müsse seiner Einschätzung zufolge etwa 600 Jahre alt gewesen sein, als hoch professionell arbeitende Handwerker es im Mittelalter mithilfe einer fein verästelten Hülle von Goldfäden veredelten.

Zur Überraschung der Restaurateure kam nach der Entfernung des Lederetuis auch ein unerwarteter Hinweis zum ehemaligen Besitzer des Flakons zum Vorschein – eine lateinische Inschrift am Boden des Gefäßes, die einem Bischof namens Hyguald gewidmet war.

Lateinische Inschrift liefert mögliche Hinweise zum Ursprung des Schatzes

Es sei zwar nicht einfach gewesen, dessen Herkunft eindeutig zu klären, berichtete die BBC zuletzt. Vieles deute aber darauf hin, dass er im 9. Jahrhundert im angelsächsischen Königreich Northumbria tätig war. Von hier dürfte dann auch zumindest ein Teil des Hortes stammen. In jedem Fall aber der Flakon.

Warum der Schatz im Boden vergraben wurde, ist hingegen noch unklar. Zwei Theorien gehen von völlig unterschiedlichen Szenaren aus:

  • (1) Ein Wikinger könnte zur Schaufel gegriffen haben, um die wertvollen Artefakte – nordischen Sagen folgend – mit ins Jenseits zu nehmen.

  • (2) Oder aber es war jemand, der aus Angst vor einem Wikingerüberfall zur Schaufel griff, da es eben auch eine Zeit war, in der viele Kirchenschätze bei solchen Raubzügen aus Klöstern und Kirchen geraubt wurden.

So oder so: Der enorme Wert des Flakons dürfte den handelnden Personen auch damals schon bekannt gewesen sein. Experte Goldberg leitet das auch aus seiner in die Jahre gekommenen Lederhülle ab.

Diese mit Seide auszukleiden, sei ein Ausdruck von Luxus gewesen: „Seide kam Tausende Kilometer aus Asien. Ein klares Indiz dafür, welchen Wert man dem Objekt im Inneren schon damals beigemessen hat.“

Weiterführende Informationen

  • Derek McLennan fand den Galloway-Hort 2014 auf einem Acker, der sich im Besitz der Church of Scotland in Kirkcudbrightshire befindet. Der Schatz umfasst rund 100 Gegenstände, vergraben wurde er Experten zufolge um das Jahr 900 nach Christus.

    Anders als der nun restaurierte Flakon sorgten einzelne Fundstücke wie eine vogelförmige Goldbrosche schon direkt nach dem Fund für Furore (weil nicht in Leder gehüllt). Seit seinem Fund wird der Schatz im National Museums Collection Centre in Edinburgh umfassend konserviert und erforscht.

  • Der Großteil der im Besitz des National Museum Scotland (NMS) befindlichen Artefakte ist derzeit als Wanderausstellung unterwegs: Bis zum 10. Juli 2022 in den Kirkcudbright Galleries ganz in der Nähe des Fundortes. Später dann in der Aberdeen Art Gallery (30. Juli bis 23. Oktober 2022).

  • Webseite des NMS mit vielen Zusatzinfos: www.nms.ac.uk

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