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„Ende eines tragisch kurzen Lebens“

England: Mysteriöses Bestattungsritual bei Ausgrabung in Siedlung aus dem 7. Jh. entdeckt

Englische Archäologen sind bei Ausgrabungen in einer ehemaligen Siedlung namens Conington auf Hinweise zu einem Bestattungsritual gestoßen, das in der Fachwelt als außergewöhnlich gilt. Würde man es emotional und aus heutiger Sicht verpacken wollen, könnte man auch sagen: fürchterlich.


Bild 1: Das Skelett des in einer Grube am Torhaus bestatteten Mädchens. (MOLA)
Bild 2: Die 15-Jährige wurde mit Blick nach unten und gefesselten Knöcheln begraben. (MOLA)
Bild 3: Rekonstruktion des frühmittelalterlichen Torhauses und der Siedlung Conington. (Oxford Archaeology)

Gefunden wurden die sterblichen Überreste eines wohl im Alter von 15 Jahren verstorbenen Mädchens, das mit zusammengebundenen Knöcheln und Blick nach unten bestattet wurde. Wohl das symbolträchtige Ende eines kurzen und mit hoher Wahrscheinlichkeit tragischen Lebens.

Einleitend muss man wissen, dass die frühmittelalterliche Siedlung in der Grafschaft Cambridgeshire einst ein nicht unwichtiges Verwaltungszentrum des Königreichs Mercia gewesen sein dürfte. Daher auch heißt Conington so viel wie „Königsstadt“.

Die Blütezeit Mercias im 7. und 8. Jahrhundert nach Christus bedeutete wahrscheinlich auch für Conington einiges an Macht, Einfluss und auch Wohlstand. Die Rekonstruktionszeichnung des Tores und der Befestigung (s. Bildergalerie oben) deuten es an.

Dann aber, mit dem aufkommenden Machtverlust Mercias im 9. Jahrhundert, dürften sich die Dinge auch in Conington zum Schlechteren verändert haben. Möglicherweise so schlecht, dass sich die lokale Elite dazu veranlasst sah, die Siedlung komplett aufzugeben.

Mit der Art der Bestattung könnte Ende der Siedlung symbolisch besiegelt worden sein

Den archäologischen Untersuchungen zufolge sieht es so aus, dass vor dem Zurücklassen der Siedlung das große Eingangsportal abgerissen / zerstört wurde – und dass man in einer Grube, in der zuvor noch einer der Torpfosten befestigt war, das Mädchen beisetzte.

Die Forscher deuten das Ganze so, dass mit der Art der Bestattung die Schließung der Siedlung symbolisch oder vielmehr rituell besiegelt werden sollte. Das Begräbnis soll mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine der letzten Handlungen der Gemeinschaft gewesen sein.

Die Bestattung mit dem Gesicht nach unten wird als Ausdruck sozialen „Andersseins“ bewertet. Oder anders: Es war eine Praxis, die vor allem jenen Menschen vorbehalten war, denen aufgrund diverser möglicher Merkmale kein Platz in der Mitte der Gesellschaft zustand.

conington landkarte
Die ungefähre Lage von Cinington in der englischen Grafschaft Cambridgeshire. (Eigene Darstellung / Nilfanion – CC BY-SA 3.0)

Dazu gehörten beispielsweise Personen, die anders aussahen oder sich anders verhielten als der Rest der Gemeinschaft. Häufig Personen mit niedrigem Sozialstatus oder solche, die durch einen beispielsweise gewaltsamen Tod dahinschieden.

Die Analyse der sterblichen Überreste durch Osteologen des Museum of London Archaeology (MOLA) ergab im vorliegenden Fall eindeutige Hinweise auf Unterernährung in der Kindheit. Außerdem muss die 15-Jährige an einer Wirbelsäulenerkrankung gelitten haben, vermutlich infolge harter körperlicher Arbeit.

Zusammenbinden der Knöchel sollte wohl Rückkehr der Verstorbenen ins Leben verhindern

„Wir wissen nicht genau, wie die junge Frau gestorben ist. Aber aufgrund ihres Alters und der Tatsache, dass ihre sterblichen Überreste keine Anzeichen einer langen, schweren Krankheit aufwiesen, könnte dies plötzlich oder unerwartet geschehen sein“, teilte das MOLA vor wenigen Tagen mit.

Und weiter heißt es dort: „Das Ende des tragisch kurzen Lebens dieser jungen Frau könnte mit dem Ende der Nutzung der Siedlung zusammengefallen sein. All dies kann erklären, warum die Gemeinde sich dafür entschied, sie auf so bedeutsame und ungewöhnliche Weise zu bestatten.“

Das Zusammenbinden der Knöchel wird als Maßnahme der Gemeinde bewertet, die getroffen wurde, um eine Rückkehr der Verstorbenen aus dem Grab ins Leben zu verhindern. Es scheint, als wollte man die 15-Jährige mit der Art der Bestattung in die ewige Verdammnis entsenden.

„Dieses Begräbnis bietet eine interessante, wenn auch tragische Gelegenheit, die Lebens- und Todesrealitäten derjenigen zu betrachten, die in der Vergangenheit als Außenseiter galten“, teilte das MOLA dazu abschließend mit.

Hintergrund: Conington (Conington St Mary) ist ein kleines Dorf im Bezirk South Cambridgeshire, das heute immerhin wieder aus etwa 50 Häusern besteht – 150 Einwohner leben hier. Bekannt ist der Ort für seinen seltsam gekrümmten Kirchturm, der eine der ältesten Glocken Großbritanniens beherbergt. Gegossen wurde sie im Jahr 1376.

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