Auch im egalitären Dänemark
Wer arm ist, bekommt öfter falsche Medikamente – Studie
Trotz freiem Zugang zur Gesundheitsversorgung entscheidet in Dänemark häufig der soziale Status über die Qualität der medizinischen Behandlung. Das zeigt eine groß angelegte Studie der Universität Aarhus mit rund 177.500 Teilnehmenden – veröffentlicht im Fachjournal PLOS Medicine.
„Die wirtschaftliche Lage ist der stärkste Risikofaktor für Fehlmedikation“, sagt Hauptautorin Amanda Paust vom Institut für Volksgesundheit. „Sie beeinflusst, wie gut Menschen sich im System zurechtfinden – und wie sie behandelt werden.“
Soziales Netzwerk und Bildung spielen ebenfalls eine Rolle
Die Forschenden stützten sich bei ihrer Analyse auf Pierre Bourdieus Theorie der drei Kapitalformen: ökonomisch, kulturell und sozial.
Ergebnis: Menschen mit geringer Bildung haben ein um 66 Prozent erhöhtes Risiko für problematische Medikamente, Menschen mit kleinem sozialen Netzwerk ein um 35 Prozent erhöhtes. Auch Einwanderer und Alleinlebende sind stärker betroffen.
Nicht zu wenig, sondern zu viel
Überraschend: Die soziale Ungleichheit zeigt sich vor allem in der Überbehandlung, nicht in der Unterversorgung. Das heißt: Betroffene erhalten häufiger Medikamente, die sie gar nicht brauchen – und die im schlimmsten Fall mehr schaden als nützen. 14,7 Prozent der Teilnehmenden erhielten mindestens ein riskantes Medikament, so die Autoren der Studie.
Die Unterschiede bleiben auch bestehen, wenn man vergleichbare Krankheitsverläufe betrachtet. Das stellt die Annahme in Frage, dass ein universelles Gesundheitssystem automatisch gleiche Versorgung garantiert.
Was Ärztinnen und Ärzte tun können
Ein Hebel liegt bei den Hausärzt*innen, sagt die Studie: Sie verschreiben den Großteil der Medikamente in Dänemark.
„Längere Gespräche, Kontinuität in der Betreuung und gezielte Kommunikation könnten helfen, die Ungleichheit zu verringern“, sagt Paust.
Das Forscherteam arbeitet nun an konkreten Strategien, um besonders gefährdete Gruppen besser zu versorgen – und so mehr Fairness im Gesundheitswesen zu schaffen.