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„Großes Potenzial für Entdeckung eines Wikingerschiffs“

Nach Wrackfund in 400 m Tiefe: Wird Norwegens größter See nun zum Hotspot für Archäologen?

Gut möglich, dass in naher Zukunft gleich mehrere Geheimnisse des Mjøsa-Sees gelüftet werden. Zumindest aus archäologischer Sicht, da das größte Binnengewässer Norwegens bislang nur bis zu einer Tauchtiefe von etwa 30 Metern auf Wracks und anderweitig Versunkenes untersucht wurde.

Fotos: NTNU

Dabei sind hier im Laufe der Jahre schon etwa 20 untergegangene Schiffe registriert worden, was nicht weiter verwundert: „Denn der Mjøsa ist im Grunde wie ein Mini-Ozean“, charakterisiert Meeresarchäologe Øyvind Ødegård von der Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Trondheim das riesige Gewässer.

Heißt mit anderen Worten: Der See wird schon seit Jahrhunderten intensiv befahren. Vor allem aus wirtschaftlich Gründen, aber auch Schlachten wurden hier schon geschlagen, was natürlich archäologische Fantasien weckt. Wecken muss, das liegt in der Natur der Sache.

Und es deutet sich an, dass bald Gewissheit über fast alles Unnatürliche bzw. Menschgemachte herrscht, was dort unten in der Tiefe liegt. Denn inzwischen sind Spezialisten damit beschäftigt, den Grund des Sees auch in Hunderten Metern Tiefe Planquadrat für Planquadrat zu kartieren.

„Ziemlich große Chance, ein Schiffswrack zu finden“

Und siehe da: Dabei ist dem Team um Ødegård vor wenigen Tagen bereits ein Schiffswrack ins Netz gegangen. Es liegt in ziemlich genau 410 Metern Tiefe und steht im Verdacht, aus dem Mittelalter zu stammen. Ersten Schätzungen zufolge könnte es etwa 700 Jahre alt sein.

„Wir glaubten, dass die Chance, ein Schiffswrack zu finden, ziemlich groß sei. Und tatsächlich tauchte dort etwas auf“, teilte Ødegård nach dem Fund mit, den ein autonomes Unterwasserfahrzeug ermöglichte, das das norwegische Institut für Landesverteidigung zur Kartierung beigesteuert hat.

„Wenn wir ein mittelalterliches Schiff finden würden, wäre das ein Volltreffer. Aber wir wagen es noch nicht zu hoffen“, hatte Ødegård noch vor zwei Jahren in einem Artikel über die anstehende Erforschung des Mjøsa geschrieben. Gut möglich, dass sein Traum nun wahr geworden ist.

Das gefundene Schiff ist etwa zehn Meter lang und zweieinhalb Meter breit. An einem Ende sieht es so aus, als wären Teile nicht mehr richtig befestigt. Das wiederum wird als Indiz dafür gesehen, dass die Eisennägel, die zur Befestigung dienten, inzwischen völlig verrostet und somit brüchig sind.

Karte See Norwegen
Die Lage des Mjøsa-Sees zwischen Oslo und Lillehammer. (Eigene Darstellung / Wikipedia)

„Das sagt uns, dass das Schiff wahrscheinlich schon eine ganze Weile auf dem Grund der Mjøsa liegt“, sagt Ødegård, der allerdings Gerüchte, es könne sich um ein Wikingerschiff handeln, schon aus der Welt schaffen musste. Dafür scheint das Steuerruder am falschen Platz.

Zum Mittelalter hingegen würde die Position am Heck des Schiffes durchaus passen. „Wenn das stimmt, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Schiff nicht älter als 1300 ist“, urteilt Ødegård.

Spannend: Es sind erst 40 von 360 Quadratkilometern des Sees kartiert worden

Spannend zudem: Zum Zeitpunkt des Wrackfundes waren erst 40 von 360 Quadratkilometern kartiert, die der See misst. Die Hoffnung auf noch mehr scheint somit berechtigt. Zumal bekannt ist, dass auf dem Mjøsa im 12. und 13. Jahrhundert große Seeschlachten stattfanden.

„Auch während der Wikingerzeit gab es hier Schlachten“, teilte ein Experte eines Regionalmuseums mit. Hinzu kommt, dass es rund um den See schon früh wohlhabende landwirtschaftliche Gebiete gab, deren Erzeugnisse über den Mjøsa beispielsweise in Richtung Oslo transportiert wurden.

„Wir mussten feststellen, dass der gesamte See mehr oder weniger unbekanntes Terrain ist“, sagte Ødegård mit Blick auf die nun beginnende Forschung. Etwa fünf Jahre wird dies insgesamt in Anspruch nehmen. So lange jedenfalls reichen die Mittel, die der NTNU zur Verfügung stehen.

Die Vorfreude darauf ist riesig, das ist jedem Wort des Meeresarchäologen zu entnehmen. Schließlich könnten schon in den kommenden Tagen neue Wracks auftauchen, wenn das bislang gesammelte Datenmaterial ausgewertet wird. Oder aber im Frühjahr 2023, wenn die Kartierung weitergeht.

„Da es sich um einen Süßwassersee handelt, ist das Holz eines solchen Schiffes konserviert. Das Metall kann rosten, und das Schiff kann seine Struktur verlieren, aber das Holz bleibt intakt“, sieht Ødegård im Mjøsa einen für seine Forschung unschätzbaren Vorteil.

Denn „ein ähnliches Schiff wie das, das wir jetzt gefunden haben, hätte vor der Küste Norwegens nicht mehr als ein paar Jahrzehnte überlebt“, ist sich der Wissenschaftler bewusst – und folgert daraus: „Wenn wir über ein Wikingerschiffswrack reden, ist der Mjøsa der Ort mit dem größten Potenzial für einen solchen Fund.“ Definitiv spannende Zeiten, die vor ihm liegen.

Zunächst sollte im Mjøsa nur alte Munition gesucht werden

Hintergrund: Interessanterweise ist die Kartierung des Mjøsa-Sees ein Kooperationsprojekt zwischen dem bereits erwähnten Institut für norwegische Landesverteidigung und der NTNU. Zustande kam es, weil das Institut den Auftrag erhielt, den Mjøsa nach Sprengstoff und Munition zu durchforsten (womöglich vor Jahrzehnten von einer hiesigen Munitionsfabrik in den See gekippt).

Da Forscher der NTNU praktisch zur gleichen Zeit an der Idee arbeiteten, den See aus archäologischen Gründen zu kartieren, kam es schließlich zu der sehr vielversprechenden Zusammenarbeit.

Die Hebung des nun gefunden Schiffes steht übrigens noch in den Sternen und wird als potenziell zu komplex beschrieben. „Ich weiß nicht, ob das jemals mit Robotern gemacht worden ist“, teilte Ødegård laut ScienceNorway hierzu mit.

Angedacht ist aber in jedem Fall, mithilfe von Kameraaufnahmen weitere und vor allem aufschlussreichere Daten und Bilder zu dem Schiff zu erhalten. „Wir können versuchen, mit den Antrieben des Roboters etwas Sediment wegzublasen“, beschreibt er den logischen ersten Schritt.

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