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Nach Kollision mit Öltanker

Norwegen: Wachoffizier der 2018 gesunkenen Fregatte „Helge Ingstad“ zu Haftstrafe verurteilt

Gut viereinhalb Jahre nach der folgenschweren Tankerkollision der norwegischen Fragatte KNM „Helge Ingstad“ ist an diesem Montag der Schuldspruch erfolgt. Das Bezirksgericht Hordaland verurteilte den damaligen Wachoffizier zu 60 Tagen Haft – allerdings auf Bewährung.

Unglück Fregatte Helge Ingstad
Die Helge Ingstad Stunden nach der nächtlichen Kollision. Gut zu sehen seitlich der metergroße Riss, der letztlich sogar zum Untergang führte. (Foto: Statens havarikommisjon / YouTube)

Zur Erinnerung: Am 8. November 2018 ist der Rumpf des erst 2009 in Dienst gestellten Marineschiffs im Hjeltefjord bei einem nächtlichen Zusammenstoß mit dem Öltanker „Sola TS“ auf einer Länge von fast 50 Metern regelrecht aufgeschlitzt worden.

In der Folge wurde die schwerstbeschädigte Helge Ingstad zunächst in Ufernähe auf Grund gesetzt. Wenige Tage später sank sie dann an Ort und Stelle und konnte 2019 nur noch als Totalverlust gehoben werden. Inzwischen ist das Schiff komplett verschrottet.

Glücklicherweise verlor bei der Kollision niemand das Leben. Lediglich acht der insgesamt 137 Besatzungsmitglieder wurden leicht verletzt. Wenn man sich die Videosequenzen (s. unten) von dem Unfall anschaut, ist zu erahnen, wie viel mehr in jener Nacht hätte passieren können.

Im Raum stand seither dennoch die Schuldfrage. Fakt ist, dass die Führung der Fregatte zwecks Erhalt und Ausbildung von Navigationsfertigkeiten an jenem 8. November einen Kurs nahe der norwegischen Küste gewählt hatte.

Riss Rumpf Helge Ingstad
Ein Unterwasserroboter untersucht den fast 50 Meter langen Riss im Rumpf der Helge Ingstad. (Foto: Statens havarikommisjon / YouTube)

Gegen 3:55 Uhr morgens fand an Bord der Wachwechsel statt, woraufhin sich die Dinge binnen Minuten dramatisch zuspitzten. Ein Hauptgrund für das Unglück war, dass man die Deckbeleuchtung des gerade ablegenden Tankers für stationäre Positionslichter des Ölterminals hielt.

Hinzu kamen in der Eile des Moments kommunikative Fehler und ein verhängnisvoller Ausweichversuch in die falsche Richtung, weshalb es kurz nach 4:00 Uhr zur Kollision der beiden Schiffe kam.

In den Fokus der Ermittlungen geriet danach relativ schnell jener heute 33-jährige Mann, der zum Zeitpunkt des Unglücks erst vor gut fünf Minuten den Dienst als Wachoffizier auf der Brücke angetreten hatte.

Die große Frage: Kann eine Einzelperson für ein solches Unglück verantwortlich gemacht werden?

Seit Monaten hat sich das Bezirksgericht Hordaland mit der Frage beschäftigt, ob und wie der Mann für die fatale Fehlerkette vor der Kollision zur Verantwortung gezogen werden kann. An diesem Montag folgte nun das Urteil: schuldig.

Nach ersten Medienberichten ist noch nicht klar, ob der Wachoffizier die 60-tägige Haftstrafe auf Bewährung akzeptieren oder in Berufung gehen wird. Seinen Verteidiger zitierte NRK.no nach dem Richterspruch wie folgt:

(Ermittlungsbericht der Statens havarikommisjon aus dem Jahr 2021 mit Video des Unglücks)

„Dieses Urteil trifft meinen Mandanten hart. Er ist enttäuscht über das Ergebnis und glaubt immer noch, dass es falsch ist, ihn in einem strafrechtlichen Kontext für diesen Unfall verantwortlich zu machen.“

„Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil. Das Gericht hat uns in den wichtigsten Punkten zugestimmt“, entgegnete Staatsanwältin Benedikte Høgseth. Der Angeklagte habe in zentralen Punkten fahrlässig und schlichtweg falsch gehandelt.

Im Vorfeld des Urteils hatte die Frage, ob ein solches Unglück tatsächlich auf individuelles Versagen zurückzuführen sei, gerade in Verteidigungskreisen kritische Reaktionen hervorgerufen. Tenor war, dass systemische Fehler in der Marine bei einer solchen Sichtweise völlig unberücksichtigt blieben.

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