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Koch-Weltmeisterschaft in Luxemburg

Finnland kocht sich in die Weltelite

Küchenprofis aus 75 Ländern kämpfen in Luxemburg um den Titel bei der «Koch-Weltmeisterschaft». Profiköche kreuzen die Löffel, um die Besten unter ihnen zu ermitteln. Auch das finnische Nationalteam ist am Start.

Koch-WM Kulinarik-Team Finnland
Das Kulinarik-Team Finnland. (Foto Messe Berlin GmbH)

Zugegeben: bei kulinarischen Spitzengenüssen denkt man nicht gleich an Finnland, eher an das Land von Paul Bocuse oder die elsässische Küche der Gebrüder Haeberlin. Doch die Finnen haben sich beinahe unbemerkt in den Himmel der Sterne, Hauben und Hochmützen hochgearbeitet. Errangen sie doch bei der Koch-Olympiade 2016 in Erfurt Silber hinter Singapur. Und „erkochten“ sich die Goldmedaille in der Kategorie „Gemeinschaftsverpflegung“ vor Schweden und Dänemark.

Kulinarik-Team Finnland

Im Kulinarik-Team Finnland, also der Koch-Nationalmannschaft, finden sich die besten Köche des Landes. Sie kochen, braten, rühren an, würzen, richten an. Sie erfinden die finnische Küche neu. Heben sie auf ein neues Niveau.

Auch bei der Grünen Woche in Berlin im Januar 2019 werden sie ihr Können am Stand Finnlands zeigen. Finnland ist 2019 Partnerland der Grünen Woche.

Wild Food im Trainingslager

Die neue finnische Küche ist eine wilde. Eine ehrliche Küche. Innovativ und kreativ. Mit frischen Zutaten aus Wald und See.

Bevor es zum Wettkampf nach Luxemburg geht, steht monatelanges Training auf dem Programm. Das Trainingslager im Osten der finnischen Hauptstadt Helsinki sieht von weitem mehr aus wie eine Ferienhausidylle. Holzhäuser bilden einen gemütlichen Innenhof wie früher die Bauernhöfe. Zum Meer hin offen. Eine kleine Holzbrücke führt über einen Bach. Dann steht man schon im Wald. Und hat die frischen Zutaten zu seinen Füßen. Leijonanranta – Löwenstrand – nennen sie das Trainingscamp, das erst in diesem Frühjahr offiziell von Landwirtschaftsminister Jari Leppä eröffnet wurde.

Die finnischen „Löwen“ üben bis zu sechs Tage im Monat. Hier stehen sie gemeinsam am Herd, um neue Kreationen zu entwerfen, auszuprobieren, zu schmecken, zu verfeinern. Geschwitzt wird nicht nur am Herd, auch in der abendlichen Sauna, die bei den Köchen zum täglichen Ritual gehört.

Viele Köche verderben den Brei

Chefköche Koch-WM
Die Chefs von l.n.r.: Gert Klötzke, Berater des Nationalteams; Kristian Vuojärvi, Teammanager; Tapio Laine, Teamchef. (Foto kokkimaajoukkue)

Viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Den Spruch kennt man auch in Finnland. Sicher sei es eine Herausforderung, so Gert Klötzke, der deutsche Berater des finnischen Nationalteams. „Hauptidee in der Küche ist jedoch die Hierarchie. Es ist ein Gemeinschaftswerk, aber einer muss die Fäden in der Hand behalten,“ so Klötzke. Ähnlich wie beim Fußball. Das habe eine eigene Dynamik. „Wichtig ist, dass alle auf den Punkt fit sind.“
Küche Helsinki Trainingszentrum
Die Küche im Helsinkier Trainingszentrum. (Foto Tarja Prüss)

Es ist ein junges Team und die Küche ist eher klein als groß. Stolz stehen sie da mit ihren hohen Kochmützen. Die Küche ist leider schon geputzt. Dabei hätten wir ihnen so gerne beim Kochen über die Schulter gesehen.

Sie alle haben ein Ziel vor Augen: die Weltmeisterschaft in Luxemburg.

„Wir sind alle etwas kochverrückt, sonst würden wir nicht mitmachen. Denn es sind viel Arbeit und viel Freizeit, die nach dem normalen Job dafür draufgehen. Selbstverständlich ist da auch ein gewisser Konkurrenzkampf, wie gut sind wir im Vergleich zu anderen Nationen.“, erzählt Tapio Laine, der Jogi Löw der finnischen Köche.

Kristian Vuojärvi, Manager des finnischen Nationalteams, stimmt zu: „Wir sind eine große Familie. Ich sehe meine Kollegen im Moment öfter als meine Frau und meine Kinder.“

Einfach, pur, von hoher Qualität

So einfach wie die Küche auf den ersten Blick in ihrer schlichten Einrichtung wirkt, so einfach ist auch die finnische Kochkunst. Einfach, aber mit hoher Qualität.

Statt lange zu erklären, was es damit auf sich hat, führt uns Kristian in den Wald. Auf den ersten Blick ist am Boden alles gleich grün. Erst nach und nach erkennt man die unterschiedlichen bodennahen Sträucher. Blaubeeren gab es diesen Sommer aufgrund der langen Hitzeperiode nur wenige. Preiselbeeren erkennt der Laie auch noch, aber der Rest scheint nicht essbar.

Doch Kristian pflückt kleine Blätter ab, lässt uns probieren. Die einen schmecken sauer, die anderen fruchtig. „All das ernten wir hier ganz frisch, nur wenige Meter von der Küche entfernt und versuchen dann herauszufinden, wie es am Besten zubereitet und wozu es idealerweise passt.“

„Finnland ist international noch nicht so durchgedrungen,“ sagt Klötzke. „Aber das Land kommt immer weiter nach vorne. Bei der Olympiade in Deutschland hat Finnland bereits den zweiten Platz geholt.“

Die besten Köche der Welt treten gegeneinander an

Anhänger des schwedischen Teams
Ein „Ultra“ des schwedischen Teams. (Foto Marie de Decker)

In Luxemburg angekommen werden die Messer gewetzt, die Klingen geschärft und das Team noch einmal eingeschworen. Alle Handgriffe wurden hundertfach geübt, damit alles wie am Schnürchen läuft. Abseits, Elfmeter oder gar ein Eigentor will sich hier niemand leisten.

Denn der Culinary World Cup ist einer der größten und wichtigsten Koch-Wettbewerbe der Welt. Hier trifft sich die Weltelite, hier geht es um Ruhm und Ehre, genießt der Wettbewerb doch unter den Profiköchen einen exzellenten Ruf.

30 Nationalmannschaften, 15 Jugend-Nationalmannschaften und 15 Mannschaften im  „Community Catering“ treten an fünf Tagen in den Wettbewerbsküchen an und zeigen ihr Können.

Besucher können durch ein Fenster hindurch den Teilnehmern auf die Finger schauen und nebenher Wein und Crémant verkosten. Einzelne Menüs werden auch zur Verkostung angeboten.

52 Juroren, allesamt professionelle Köche aus verschiedenen Ländern, bewerten die Köche nach den international geltenden Kriterien, den Regeln der „Worldchefs“. Dazu gehören neben dem Aussehen die Zusammensetzung, die korrekte und professionelle Zubereitung und der Service.

Heiß und kalt

Das finnische Team tritt an zwei Tagen an: beim „kalten Tisch“, bei dem kulinarische Kunst und Pastry Art im Vordergrund stehen, sowie beim Wettbewerb „hot kitchen“, bei dem ein Drei-Gänge-Menü für 110 Personen in einer vorgegebenen Zeit gezaubert werden muss.

Drei-Gänge-Menü
Das Drei-Gänge-Menü. (Foto kokkimaajoukkue)

Als Vorspeise hat sich das finnische Team Zander auf drei verschiedene Arten vorgenommen, als Terrine, Tatar und als Créme. Der Hauptgang besteht aus Entenbrust mit glasierter Farce, Blutpudding mit Apfel und knusprigem Kohl, Sellerie, Dinkel und gebratenen Pfifferlingen. Als Dessert servieren die weißblauen Profiköche drei Johannisbeer-Varianten: eine Bavaroise (Bayerische Creme), ein Sorbet und ein Financier mit Johannisbeerkompott und marinierten Johannisbeeren.

Nachhaltigkeit und Maßnahmen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln spielen beim diesjährigen Wettbewerb eine herausragende Rolle. Gerade die jungen Köche sollen lernen, wie man effizient arbeitet und die Lebensmittel respektiert.

„Wir haben viel Arbeit in Gestaltung und Umsetzung gelegt, um den Verlust von Nahrungsmitteln so gering wie möglich zu halten, sodass alle Rohstoffe in das Menü insgesamt aufgenommen wurden. Darüber hinaus wurden Anstrengungen unternommen, um möglichst wenig Kunststoffe und Folien zu verwenden, die sonst in der Küche Anwendung finden,“ sagt Teammanager Kristian Vuojärvi.

„Unsere Stärken sind die Homogenität des Essens und hervorragende Rohstoffe,“ so Mannschaftskapitän Simo Pietarinen. Alles scheint zu stimmen. Keiner sitzt verletzt auf der Ersatzbank, alle sind hochmotiviert.

„Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.“ Das wusste schon Jürgen „Kobra“ Wegmann, einer der erfolgreichsten Torschützen in der Bundesliga in den 80er Jahren. Die finnische Koch-Elf bekommt es während des Wettkampfs mit einem fast einstündigen Stromausfall in der Wettbewerbsküche zu tun. Das klingt wie Elf-Meter-Schießen ohne Ball.

„Trotzdem: es war großartig! Das Team hat motiviert und extrem ruhig auf den Stromausfall reagiert,“ sagt Teamchef Tapio Laine stolz. Beim zweiten Wettbewerb Pastry Art hätten sie jedoch einige wenige Fehler gemacht, deswegen sei der erste Platz nicht erreichbar gewesen. Es ist eben manchmal im Leben so, wie Trainer-Legende Otto Rehhagel es auf den Punkt brachte: Mal verliert man und mal gewinnen die anderen.

Für das 3-Gänge-Menü vergibt die Jury schließlich 92 von 100 Punkten an das finnische Team und damit den Gold-Bewertungspunkt.

Das Feedback der Jury: Die Speisefolge wurde als sehr gutes und gut geplantes Ganzes gelobt, bei dem Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise geschmacklich gut zusammengepasst hätten.

Insgesamt landen die Finnen dieses Mal auf Platz 6. Sieger wird Nachbar Schweden. In der Kategorie „Catering“ kann Finnland den zweiten Platz ergattern, wieder vor Schweden.

Nächstes Ziel ist die Olympiade 2020 in Stuttgart. Doch das ist, um mit Ex-Bayern-Spieler Jens Jeremies Worten zu sprechen: „Das ist Schnee von morgen.“

Text: Tarja Prüss

INFO

Der Culinary World Cup, wie die Koch-WM offiziell heisst, findet nur alle vier Jahre statt und gilt in der Szene als wichtigster und prestigeträchtigster Wettbewerb. Es ist sozusagen die Fußball-WM unter den Köchen. In der Hauptdisziplin gilt es, in sechs Stunden ein Dreigängemenü für 110 Personen auf den Teller zu zaubern. Beim kulinarischen Weltcupwettbewerb werden die Leistungen der Teams durch ein Punktesystem bewertet, wobei für bestimmte Punktzahlen Wertungen wie Diplom, Bronze, Silber und Gold festgelegt wurden.

Die Recherche vor Ort in Helsinki wurde freundlicherweise von MTK (Finnischer Zentralverband der landwirtschaftlichen Produzenten und Waldbesitzer) sowie der Messe Berlin unterstützt.

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