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Von Schlittschuhen und explosiven Cocktails

Erfindungen aus Finnland, die die Welt eroberten

Im dritten Teil unserer Reihe „Erfindungen, die die Welt eroberten“ begeben wir uns nach Finnland. Dabei schauen wir uns Erfindungen jenseits von Sauna, Nokia-Handy und Angry Birds an.

1. Tonfilm

Tonfilm Erfindung aus Finnland
„Der Jazzsänger“. Die Produktion von 1927 gilt als der erste abendfüllende Tonfilm der Geschichte.

Der Tonfilm ist eine Erfindung aus Finnland. Zumindest auch. Im Jahr 1914 bekam der finnische Erfinder Eric Tigerstedt in Deutschland das Patent mit der Nummer 309.536 für sein Klangfilm-Verfahren. Im selben Jahr demonstrierte er einen Tonfilm einer Gruppe von Wissenschaftlern in Berlin. Die Wissenschaft zeigte sich beeindruckt, doch die Filmindustrie versagte dem „Edison Finnlands“ (wie Tigerestedt auch genannt wurde) die Anerkennung der Tontechnik. Der Wert eines vertonten Films wurde durch die Branche erst nach dem Tod des Erfinders erkannt.

In Amerika gilt der Film „Der Jazzsänger“ von 1927 als der erste abendfüllende Tonfilm. Die erste deutsche Filmproduktion mit Tonspur an ausgewählten Stellen, „Ich küsse Ihre Hand, Madame“, die in die Lichtspielhäuser kam, erschien am 16. Januar 1929. Da lag Eric Tigerstedt bereits vier Jahre unter der Erde.

2. Schlittschuhe

Pech Frantisek
(Foto Pech Frantisek)

Wer sich sicher auf dem Eis bewegen möchte, der braucht Kufen unter den Schuhen. Das müssen sich die Urfinnen bereits vor 5.000 Jahren gedacht haben. Der vermutlich älteste Schlittschuhfund in Finnland, der je ausgegraben wurde, wird auf die Periode 3.000 v. Chr. datiert. Die Kufen waren aus Tierknochen hergestellt. Zwar ist es wissenschaftlich nicht gesichert, dass der Schlittschuh eine rein finnische Erfindung ist, doch solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, lassen wir es als eine solche gelten.

3. Windturbine

Savonius-Rotor
Kombination aus Darrieus-Rotor (außen) und Savonius-Rotor (an der Achse). (Foto Fred Hsu, CC BY-SA 3.0)

Der finnische Architekt und Erfinder Sigurd Johannes Savonius entwickelte Anfang der 1920er Jahre die nach ihm benannte Windturbine, den Savonius-Rotor. Diese Turbine gilt als Ausgangspunkt für die Entwicklung moderner Windturbinen zur Energiegewinnung. Der deutsche Erfinder Anton Flettner, der ebenfalls an der Windturbinentechnologie feilte, erwarb nach Savonius‘ Tod 1931 das Patent. Seitdem stellt seine Firma Lüfter her, die aus mehrflügeligen Savonius-Rotoren bestehen.

4. Pulka (auch Nansenschlitten)

Moderner Pulka, Nansenschlitten
Moderner Pulka.

Der Pulka ist ein bootsähnlicher Schlitten, der von den Sami verwendet wurde. Ursprünglich bestand er aus Fichten- und Kiefernbrettern und wurde von Rentieren gezogen.

Im 20. Jahrhundert wurde eine mit Gewichten beschwerte Kunststoffwanne daraus, die bei Trekkingtouren und Polarexpeditionen verwendet wurde. Der Schlitten wurde von den Wanderern selbst gezogen. Berühmtheit erlangte der Schlitten durch die Expeditionen des norwegischen Polarforschers Fridtjof Nansen.

5. Ball-Sessel und Bubble Chair

Ball-Sessel von Eero Aarnio
Ball-Sessel von Eero Aarnio. (Foto Sailko, CC BY 2.5)

Wir kommen kaum am finnischen Möbeldesign vorbei. Eigentlich gar nicht. Einer der bekanntesten Designer von Weltrang ist der Finne Eero Aarnio. 1963 entwarf er den ikonischen Ball-Sessel aus Kunststoff und Glasfaser. Nach dem Siegeszug des Ball-Sessels folgte 1968 die Weiterentwicklung desselben zum Seifenblasen-Sessel bzw. Bubble Chair. Seitdem haben diese Sessel in kaum einem Sci-fi-Film der damaligen Epoche gefehlt. Seine Sessel stehen wie kein anderes Möbel für futuristisches Design.

6. Web-Browser

Sir Tim Berners-Lee Erwise Finnland
Sir Tim Berners-Lee, 2014. Der HTML-Erfinder besuchte die Erfinder des ersten Browsers in Finnland, um sie zu ermutigen, weiter zu machen. (Foto Paul Clarke, CC BY-SA 4.0)

Hallo 1992. Der erste Web-Browser mit grafischem Interface, und damit auch tauglich für den Gebrauch durch Massen von Menschen, wurde in Finnland erfunden. Die Mutter aller heutigen Browser hieß Erwise. Der Browser war die Magisterarbeit von vier finnischen Studenten an der Technischen Universität Helsinki. Die Studenten hießen Kim Nyberg, Teemu Rantanen, Kati Suominen und Kari Sydänmaanlakka.

Tim Berners-Lee, einer der führenden Entwickler des World Wide Web, reiste seinerzeit nach Finnland, um die Gruppe zu ermutigen, das Projekt fortzuführen. Doch leider konnte keiner der vier es sich leisten, den Browser weiter zu entwickeln. Das Projekt hatte keine Geldgeber.

7. Linux

Tux, der Linux-Pinguin
Tux, der Linux-Pinguin. (Copyright [email protected] Larry Ewing and The GIMP)

Apropos, Anfangsjahre des Internets. 1991 entwickelte der Finne Linus Torvalds, damals noch Informatik-Student, ein Betriebssystem für seinen PC. Er nannte es Linux und stellte es der Menschheit kostenlos zur Verfügung. Torvalds koordiniert bis heute die Entwicklung des Linux-Kernels.

8. Molotow-Cocktail

Molotowcocktail Finnland
Finnischer Molotowcocktail mit Sturmstreichholz als anliegendem Zünder wie er ursprünglich für den Winterkrieg 1939/1940 produziert wurde. (Foto Ohto Kokko, CC BY 2.5)

Überspringen wir die Sauna oder die Angry Birds, Nokia-Handys und viele andere Erfindungen finnischer Herkunft, und kommen zu den einfachen Wurfbrandsätzen.

Das sogenannte Griechische Feuer ist bereits seit dem Frühmittelalter von Seeschlachten bekannt und ist wahrscheinlich schon wesentlich früher verwendet worden. Die zum Einsatz benötigte Feuerspritze, Siphon genannt, wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. erfunden. Doch das Griechische Feuer war eine Art Flammenwerfer, nicht eine Granate des armen Mannes, wie die Brandflasche auch manchmal genannt wird.

Springen wir etliche Jahrhunderte in der Geschichte vor. Es ist Winter 1939/40, die Sowjetunion greift Finnland an. Grund des Krieges sind offiziell die Gebietsforderungen der Sowjetunion in der Karelischen Landenge, doch vermutlich geht es um die Annexion ganz Finnlands gemäß dem Ribbentrop-Molotow-Pakt.

Dass Finnland seine Unabhängigkeit seit über 100 Jahren kontinuierlich erhalten konnte, ist unter anderem dem finnischen Molotow-Cocktail zu verdanken. Die finnische Armee war nicht nur zahlenmäßig unterlegen, sondern auch in materieller Hinsicht auf den Krieg nicht vorbereitet.

Die offizielle Soldatenzahl betrug 250.000 Mann, doch in Ermangelung von Schusswaffen tatsächlich um 50.000 Personen geringer. Desweiteren hatte die finnische Armee nur dreißig Panzer, mit diesen aber kaum Erfahrungen, da sie erst seit kurzer Zeit zur Ausstattung der finnischen Armee gehörten. Es herrschte Mangel an automatischen Waffen. Die ganze Armee besaß nur einhundert Panzerabwehrkanonen, ein Import aus Schweden. Die Geburtsstunde so primitiver Waffen wie dem Molotow-Cocktail.

Auf den Turm oder Motor geworfen, erwies sich die Brandgranate als ein äußerst effektives Mittel gegen die damaligen Panzer. Die finnische Regierung veranlasste die industrielle Herstellung der Cocktails durch den staatseigenen Betrieb Oy Alkoholiliike Ab (heute Alko). Es wurden insgesamt 450.000 Stück produziert.

Die Finnen nannten die Brandflasche nach Wjatscheslaw Molotow, dem damaligen Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der Sowjetunion. Im Zuge einer Verharmlosungspropaganda behauptete Molotow, die russischen Bomber würfen keine Bomben ab, sondern Brot für die Zivilbevölkerung. Selbstverständlich eine dreiste Lüge. Die Finnen nannten daraufhin die Bomben „Molotows Brotkörbe“ und erfanden ein „passendes Getränk zum Essen“.

Siehe auch:

ap

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