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Einschätzung estnischer Sicherheitsexperten

Russen befolgen mehrheitlich Putins Mobilisierungsbefehl – Motivation aber „äußerst gering“

Wenige Tage nach der von Wladimir Putin befohlenen Teilmobilmachung in Russland ist ein abschließendes Lagebild zwar noch nicht möglich. Estnische Sicherheitsexperten gehen aber davon aus, dass die meisten Russen der Einberufung folgen – wenn auch mit „äußerst geringer Motivation“.

Zu diesem Thema, das das Kriegsgeschehen in der Ukraine und die Sicherheitsarchitektur in Europa in den kommenden Monaten mehr denn je beeinflussen dürfte, hat ERR.ee Igor Gretski befragt. Er ist Gastwissenschaftler am Internationalen Zentrum für Verteidigung und Sicherheit in Tallinn.

„Wenn der Staat sagt, dass man kämpfen muss, befolgen erfahrungsgemäß viele lieber den Befehl und gehen in den Kampf, als sich zu entziehen.“ Aber es sei absehbar, so Gretskis Einschätzung, dass der Wille zum Kampf bei den neuen Rekruten in Russland so gut wie nicht existiere.

Es dauerte nur ein paar Stunden, bis eine Gruppe mobilisierter Russen sturzbetrunken war

Auf Twitter kursieren seit zwei Tagen diverse Tweets und Videos von den Rekrutierungsbemühungen der Russen. In einem Tweet heißt es:

„In der Zwischenzeit dauerte es nur wenige Stunden, bis eine andere Gruppe mobilisierter Russen sturzbetrunken war. ‚Wohin gehen wir? Wohin? Weiß der Henker!'“, erwidert einer im Video.

Gretski ist sich sicher, dass es Putins Plan ist, die Einberufenen mit einer Mischung aus Pathos und plumper Propaganda in den Krieg zu locken. Es werde behauptet, von nun an gehe es um die Verteidigung des russischen Vaterlandes. Die aktuell laufenden Scheinreferenden lassen grüßen.

„Aber wahrscheinlich wird das Narrativ nicht funktionieren“, schätzt Gretski ein. „Denn die meisten Menschen verstehen nicht, warum sie gegen die Ukraine kämpfen müssen. Und das ist mit Sicherheit das größte Problem der russischen Armee.“

Über das Ausmaß der Mobilmachung, die Putin am Mittwoch angekündigt hat, ist gegenwärtig noch wenig bekannt. Zunächst war von 300.000 Reservisten die Rede. In den sozialen Medien gepostete Videos scheinen jedoch zu zeigen, dass die Maßnahmen weit umfassender sein könnten.

So würden entgegen der ursprünglichen Ankündigung wohl auch Männer ohne militärische Vorerfahrung ihre Einberufungsbescheide erhalten. Eine hoch dynamische Situation, die man im benachbarten und rhetorisch von Putin mehrfach bedrohten Estland ganz genau im Blick behält.

Ein Sprecher des estnischen Verteidigungsministeriums dazu: „Eskalation ist nicht nur Mobilmachung, sondern auch das Gerede über Referenden und Annexion. Und natürlich auch die damit verbundene Atomwaffen-Rhetorik.“

Das Ganze sei der Versuch des Kremls, dem Westen zu signalisieren, dass man zur Not bereit ist, die Temperatur bis „zum Siedepunkt“ zu erhöhen. „Die Mobilmachung ist ernst zu nehmen. Sie ist eine Bedrohung für alle Nachbarländer Russlands“, sagte ein estnisches Parlamentsmitglied.

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