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Briefe aus England

Corona-Impfstoff und der plumpe Nationalismus in England

Es gibt etwas Positives in Bezug auf den Brexit zu berichten. Exporte von lebenden Tieren sollen in Zukunft in England und Wales verboten werden.

Matt Hancock
Britischer Gesundheitsminister Matt Hancock und seine Parteikollegen fallen mit Prahlerei und Beleidigungen anderer Länder auf. (Foto: Number 10, CC BY-NC-ND 2.0)
Typischerweise gibt es jedoch weiterhin viel Hässliches über den Brexit zu sagen: Gesundheitsminister Matt Hancock und der Vorsitzende des House of Commons, Jacob Rees-Mogg, behaupteten, die schnelle Zulassung des BioNTech/Pfizer Covid-Impfstoffs durch die MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) sei durch den Brexit möglich gemacht worden. Ein Beispiel alt vertrauter Brexit-Lügen.

Am Mittwoch, den 2. Dezember 2020 hat die MHRA dem Covid-Impfstoff von BioNTech/Pfizer grünes Licht für eine Notzulassung erteilt. Ab dieser Woche wird mit den ersten Impfungen gegen Covid-19 im Vereinigten Königreich begonnen.

Was als ein wissenschaftliches, internationales Erfolgserlebnis gefeiert werden sollte, wurde schnell von nationalistischen Aussagen und Beleidigungen anderer Länder vereinnahmt.

Zuerst die Falschaussagen von Hancock und Mogg, die sofort sowohl von der MHRA als auch der EMA widerlegt wurden. Das Vereinigte Königreich befindet sich noch immer in der Übergangszeit nach Brexit, EU-Gesetze werden bis Ende Dezember befolgt.

Jedes Land in der EU hat eine Arzneimittelregulierungsbehörde, die dem Impfstoff eine Notzulassung erteilen könnte. Ungarn hat dies mit dem russischen Impfstoff Sputnik V bereits getan. Dass Ungarn in der EU ist, wissen Hancock und Mogg vielleicht nicht. Wieso andere europäische Länder auf die EMA-Zulassung warten, sollte zumindest diskutiert werden.

Der Kultusminister Großbritanniens, Gavin Williamson, welcher der Jugend ein Vorbild sein sollte, wurde am Donnerstag, dem Tag nach der Notgenehmigung durch die MHRA, von LBC’s Nick Ferrari gefragt, ob die schnelle Zulassung des Pfizer/BioNTech Impfstoffes durch den Brexit begünstigt worden sei.

Zuerst wusste ich nicht, ob seine Antwort als Witz gemeint war. War sie anscheinend nicht. Er sagte wörtlich: „Ich glaube, wir haben einfach die besten Leute in diesem Land. Und wir haben offensichtlich die beste medizinische Regulierungsbehörde, eine viel bessere als die Franzosen, Belgier und Amerikaner. Das überrascht mich überhaupt nicht, denn wir sind ein viel besseres Land als jedes einzelne von denen.“

Auf die erneute Nachfrage, ob die schnelle Zulassung durch den Brexit begünstigt wurde, lenkte er um mit: „Einfach in der Lage zu sein, sich um Dinge zu kümmern, sie auszuführen und die brillanten Leute in unserer medizinischen Regulierungsbehörde haben es möglich gemacht, dass die Leute in diesem Land die ersten sein werden, die den Pfizer-Impfstoff bekommen.“

Dies sagte er an genau dem Tag, an dem das Vereinigte Königreich als erstes Land in Europa offiziell die traurige Zahl von 60.000 Covid Toten überschritt.

Immerhin wurden Williamsons Kommentare sofort auf Twitter von britischen Politikern und Medienpräsentatoren ins Lächerliche gezogen. Caroline Lukas, Vorsitzende der Grünen, tweetete: „Dies von einem Regierungsminister – es ist erbärmlich. So ein Gerede hört man auf dem Spielplatz. Vielleicht ist er deshalb Kultusminister.“

James O’Brien von LBC brachte es auf den Punkt: „Der Impfstoff wird in Belgien hergestellt, wurde in Deutschland von Kindern türkischer Einwanderer entwickelt unter der Schirmherrschaft einer amerikanischen Firma.“

Wir leben in Zeiten, in denen Nationalegoismus als „Querdenken“ euphemistisch verpackt wird, in denen voraufklärerische Argumentation, man könnte auch Lügen sagen, wieder gewicht hat, um auf Wählerstimmen zu kommen. Skrupellose Menschen unter den Politikern wissen das zu nutzen, und Wähler lassen sich bereitwillig nutzen.

Lesen Sie auch: Großbritannien lässt als erstes Land der Welt den Coronavirus-Impfstoff von BioNTech/Pfizer zu

Pia Kurtsiefer

Über die Autorin
Vor über 14 Jahren zog Pia Kurtsiefer aus dem Rheinland nach London, um als Lehrerin in einer Schule für autistische Kinder zu arbeiten. Heute lebt sie mit Kind und walisischem Mann in Hertfordshire. Für NORDISCH.info schreibt sie die Serie „Briefe aus England“.

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