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Verfasst in romanischem Dialekt

England: Bislang unbekannte Maimonides-Manuskripte in Bibliothek von Uni Cambridge entdeckt

Ein spanischer Gastwissenschaftler hat im riesigen Bibliotheks-Fundus der University of Cambridge einzigartige Manuskripte von Moses Maimonides aus dem 12. Jahrhundert entdeckt. Mehr noch: Er konnte erstmals nachweisen, dass der jüdische Philosoph auch in einem romanischen Dialekt geschrieben hat.

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Zwei Seiten aus Maimonides‘ Notizbuch, in dem er Wörter in judäo-arabischer Sprache auflistet und darunter judäo-romanische Übersetzungen angibt. (Foto: University of Cambridge)

Die etwa 900 Jahre alten Papierfragmente sind Teil der Kairoer Genisa-Sammlung der Bibliothek, die mehr als 200.000 jüdische Schriftstücke enthält. In der legendären Sammlung wird das Leben in Ägypten und im Nahen Osten über einen Zeitraum von gut 1000 Jahren dokumentiert.

Bei den Maimonides zugeordneten Passagen handelt es sich um ein Glossar mit grundlegenden Begriffen zu Kräutern, Grundnahrungsmitteln und Farben. Die Identifizierung erfolgte durch José Martínez Delgado, Gastprofessor im Fachbereich semitische Studien an der Universität Granada.

In den Manuskripten wurden etwa 60 Passagen des Philosophen gefunden, von denen die meisten in Maimonides-üblichem Judäo-Arabisch (arabische Sprache mit hebräischem Alphabet) verfasst sind. Zu den Schriften gehören Briefe und u.a. frühe Entwürfe seiner wichtigen Werke.

„Irgendetwas an der Handschrift in diesen Fragmenten kam mir bekannt vor…“

Wirklich einzigartig ist der Fund aber durch eine andere Tatsache: Und zwar konnte, wie eingangs erwähnt, erstmals nachgewiesen werden, dass Moses Maimonides einzelnen Wörtern die Übersetzung in einem romanischen Dialekt hinzugefügt hat.

„Irgendetwas an der Handschrift in diesen Fragmenten kam mir bekannt vor. Als mir klar wurde, was ich da vor mir hatte, schickte ich schnell eine Nachricht an einen befreundeten Wissenschaftler von der Universität Tel Aviv“, schildert Delgado.

„Ich sagte nicht, was ich dachte, sondern bat ihn nur, sich das Fragment einmal anzuschauen. Dann bestätigte sich mein Verdacht, wir beide sahen die Handschrift von Maimonides, allerdings in einer Art von romanischem Dialekt.“

Bislang war schlichtweg nicht bekannt, dass Maimonides der romanischen Sprache, einer Dialektversion des Lateinischen, mächtig war. Einer Sprache im Übrigen, die auch als Vorläufer für das heutige Spanisch bezeichnet werden kann.

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Wertvoller Teil des Genisa-Archivs: Ein Fragment aus der Mischne Tora, ebenfalls handschriftlich von Maimonides. (Foto: University of Cambridge)

Dazu passt im engeren Sinne, dass Maimonides im Jahr 1135 in Cordoba geboren wurde. Seine Kodifizierung des jüdischen Rechts („Mischne Tora“ / 1170 bis 1180) gilt noch immer als Eckpfeiler des jüdischen Rechts und der jüdischen Ethik.

Mit seinem Werk versuchte der Gelehrte aufzeigen, dass jeder Teil des jüdischen Gesetzes einem rationalen Zweck dient – und nicht etwa reinem Gehorsam. Zugleich legte er mit seiner Denkweise das philosophische Fundament des jüdischen Glaubens.

Maimonides muss die Schriften zwischen 1168 und 1204 verfasst haben

Die nun identifizierten Manuskripte muss Maimonides irgendwann zwischen 1168, als er in Ägypten ankam, und seinem Todesjahr 1204 angefertigt haben. In Ägypten diente er als Oberhaupt der Juden und wurde zudem für seine medizinischen und wissenschaftlichen Kenntnisse geschätzt.

Delgado geht darauf auch inhaltlich ein: „Das Glossar deckt vier Kategorien ab: Farben, Geschmäcker und Aromen, Handlungen und Lebensmittel. Die Begriffe sind nicht alphabetisch, sondern logisch geordnet – nach grundlegenden Assoziationen und Gegensätzen.

Doch warum könnte Maimonides eine derartige Begriffssammlung anfertigt haben? „Er war auch praktischer Gelehrter und Arzt, er hatte Studenten. Womöglich sammelte er die Begriffe aus medizinischen oder pädagogischen Gründen. Oder um seinen Wortschatz zu testen“, sagt Delgado.

Interessanterweise befinden sich die Fragmente der Kairoer Genisa schon seit über 120 Jahren in Cambridge, aber die Arbeit an ihrer Katalogisierung und Interpretation ist noch längst nicht komplett abgeschlossen.

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Das Hauptgebäude der Universitätsbibliothek in Cambridge. (Foto: Fys / CC BY-SA 3.0)

„Jede Entdeckung wie diese erweitert unser Wissen über das Ägypten des Mittelalters und das Leben der Juden in den islamischen Ländern. Es ist eine Fundgrube für Historiker, aber für viele Menschen ist es auch eine greifbare Verbindung zur jüdischen Kultur und religiösen Tradition“, sagte Dr. Melonie Schmierer-Lee, Research Associate an der Uni Cambridge.

Hintergrund: Vom 9. bis zum 19. Jahrhundert hielt die jüdische Gemeinde in Kairo mehr als 200.000 kritische Schriften in einem eigens dafür errichteten Lagerraum in der Ben-Esra-Synagoge unter Verschluss.

Dieser Lagerraum wurde Genisa genannt und galt als sicherer Ort für Texte, deren Entsorgung bzw. Vernichtung allein schon deshalb einer Sünde gleichgekommen wäre, weil sie immer wieder auch den Namen Gottes enthielten.

Als der Raum im späten 19. Jahrhundert geöffnet wurde, entdeckten die Gelehrten neben den erwarteten Bibeln, Gebetsbüchern und jüdischen Gesetzestexten auch Dokumente des täglichen Lebens.

Darunter Einkaufslisten, Heiratsverträge eine 1000 Jahre alte Seite mit Kinderkritzeleien und Alphabeten, arabische Fabeln, Werke der muslimischen Philosophie, medizinische Bücher, magische Amulette, Geschäftsbriefe und Geschäftsbücher.

Praktisch jede Art von schriftlichen Texten, die von den jüdischen Gemeinden des Nahen Ostens während des gesamten Mittelalters produziert wurden, fanden sich in diesem heiligen Lagerraum. Und eben auch jene neu entdeckten Manuskripte von Maimonides.

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