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Eine Geschichte zweier ehemaliger Industriezentren

Ein Engländer in Deutschland: Ruhrgebiet und Nordwest-England im Vergleich

5 Punkte, die die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem Ruhrgebiet und dem britischen Geburtsort der Industriellen Revolution, Manchester, zeigen.

Manchester Innenstadt
In der Innenstadt von Manchester (Foto Homestage Multimedia)

Ein Engländer aus dem Nordwesten seiner Heimat verbringt einen Kurzurlaub im Ruhrgebiet, – unterwegs in Bochum, Wuppertal und Düsseldorf. Hier schreibt er in fünf Punkten über seine Eindrücke. Wo sieht er Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den zwei ehemaligen Industriezentren Europas? Was ist von der gemeinsamen Geschichte geblieben, außer der Trauer um die einstige Bedeutung in der Welt?

Im Jahr 1842 reiste Friedrich Engels von Wuppertal nach Manchester. Er kam direkt im Sturmzentrum der Industriellen Revolution an, einem Sturm, in dem auch die Familie Engels eine große Rolle gespielt hat.

Sie waren Textilunternehmer und beschäftigten viele Nordwest-Engländer in der Engels’schen Fabrik. Auch das Ruhrgebiet war damals im Wandel, als Kohle, Stahl und Dampfkraft das Leben der Bevölkerung veränderte.

Heutzutage vollzieht sich nicht nur in Manchester, dem Herzen der Revolution, sondern auch im naheliegenden Liverpool und ihren deutschen Cousins im Ruhrpott – Düsseldorf, Bochum, Dortmund, Essen und so weiter – ein Strukturwandel. Weg von der Schwerindustrie, hin zu Dienstleistung, Erholung und Tourismus.

1) „Nimm das Bier ausm Kühlschrank und bezahl später“

Samstagnacht in der „Trinkhalle“ in der Stadtmitte Bochums und sofort findet man zwei vergleichbare Elemente in den Kneipenkulturen Englands und Deutschlands.

Natürlich ist eine stetig wachsende Bierkultur, besonders „Craft Bier“ im Nordwesten Englands überall zu finden, aber hier im Ruhrpott findet man die Flaschen vor der Theke. Man kann sich einfach selbst bedienen. Was? Ohne Sicherheitspersonal?

Dann gibt’s da noch so ein Ding, das “Deckel“ heißt, auf dem Zahlen geschrieben stehen – nach einem langen Abend bei Bier und Gespräch kann man die Getränke bezahlen. Deutschland, bist du verrückt? Mit diesen Regeln würde niemand in England bezahlen! Die Deckel wären nur falsche Versprechungen, und die Kneipen bald geschlossen.

Trinkhalle Bochum
Trinkhalle Bochum (Foto: Facebook @trinkhalleruhrgebeat)

2) Himmelkratzende Bahnschienen

Ist die Schwebebahn Wuppertals weltberühmt? Wenn nicht, sollte sie besser bekannt werden. Es ist ein Wunder der Technik und eine Idee, die heutzutage keinen Anklang gefunden hätte. Es scheint, dass komische und ehrgeizige Ideen im „goldenen Zeitalter“ des Einfallsreichtums zwei Heimaten gefunden hätten, im Ruhrgebiet und in Nordwest-England.

Die Strecke der Schwebebahn folgt der Wupper auf Schienen, 10 Meter hoch über dem Boden, während, 700 km entfernt, Züge 34 Meter hoch über das “Stockport Viaduct“ fahren. Mit 11.000.000 Ziegeln trägt die fast 180 Jahre alte Brücke noch jeden Zug zwischen Manchester und London.

Schwebebahn und Stockport Viaduct
Schwebebahn und Stockport Viaduct (Foto: Rob Allen (links) & Clive A Brown (rechts))

3) Wir haben auch einen Turm!

Es spielt keine Rolle, dass es eine Touristenfalle ist, ein Bier oben auf dem Rheinturm in Düsseldorf ist toll, außer man hat Angst vor der Höhe.

Im Nordwesten Englands haben wir zu wenige Türme, aber die Menge der Hochhäuser in den Stadtzentren wächst jedes Jahr. 1969 wurde “St John’s Beacon“ oder “Radio Tower“ in Liverpool gebaut, und im glamourösen Jet-Zeitalter gab es ein drehendes Restaurant da oben. Die Auswirkung des Niedergangs der Hafen- und Schiffbauindustrien hat Liverpool schwer getroffen, und so ein Luxus wurde in den 80ern geschlossen.

Die Zukunft scheint glänzend, weil der Turm für Touristen zuletzt wieder geöffnet worden ist. Er ist 100 m kleiner als der Rheinturm, der St John’s Beacon ist also soetwas wie sein kleiner, süßer Bruder.

Der Rheinturm und sein „kleiner Bruder“, Radio Tower, in Liverpool
Der Rheinturm und sein „kleiner Bruder“, Radio Tower, in Liverpool (Foto: Rob Allen (links) & Paul Lockhart (rechts))

4) Verschwindende Altstädte

Ist Respekt für Tradition und die Vergangenheit wichtig? Wenn man das glaubt, ist die Entwicklung in Nordwest-England vielleicht ein Anlass zur Besorgnis.

Wegen der Bombardements des 2. Weltkriegs blieb Städten wie Düsseldorf und Bochum nichts anderes übrig als sich selbst von der Pieke auf wiederaufzubauen. Aber man findet heute noch schöne Spuren der Vergangenheit in der Altstadt Düsseldorfs, besonders die Kneipen und das Verhalten der Kellner, die das Altbier in den ungewöhnlich kleinen Gläsern stets zum Tisch bringen, auch wenn man nicht danach gefragt hat.

Traurigerweise beschleunigt der Fortschritt in Manchester, Liverpool und anderen englischen Städten so stark, dass alte Kneipen, klassische Architektur und der Charakter der Einheimischen ein verlorener Teil der Historie zu werden drohen.

Wenn man amerikanisches Essen sucht, kann man in Manchester diese Gerichte leicht finden, aber typisches Essen aus Manchester? Keine Ahnung.

Fortschritt gegen Tradition?
Fortschritt gegen Tradition? (Foto: Lawrence Holmes (links in Manchester) & calflier01 auf Flickr (rechts in Düsseldorf))

5) Tiere in der Innenstadt

Düsseldorf? Ist es normal, Schafe in der Innenstadt zu halten? Man könnte glatt meinen, das wäre ein Witz, wenn man vor dem Besuch über die Herde am Rheinufer liest.

Aber nein, es ist Tatsache, dass, wenn man einen Blick auf die Nordseite der Rheinkniebrücke wirft, man wahrscheinlich auch viele weiße wollbekleidete Tiere sieht. Innenstadt-Bauernhoftiere gibt es selten in englischen Städten, vielleicht noch Tauben, Mäuse und Politiker. Um Fair zu sein, Manchester hat ein paar Wanderfalken als Gäste, sie gehören zur lokalen Prominenz. Aber Schafe? Nein, nach Hause, Deutschland, du bist betrunken!

Schafe auf den Rheinwiesen
Schafe auf den Rheinwiesen (Foto: Robyn Fleming)

Rob Allen

Über den Autor
Rob Allen ist ein freier Journalist und PR-Experte aus dem Norden Englands. Er schreibt u.a. für The Guardian, News of the World und Manchester Evening News. Nun schreibt er auch auf Deutsch für NORDISCH.info. – Auf Twitter unter @northernrob zu finden.

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