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Buchbesprechung: Eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte

„Die Sache mit Norma“ von Sofi Oksanen

Norma ist 30 Jahre alt und auf der Beerdigung ihrer Mutter, die sie vor kurzem durch einen Suizid verloren hat. Die Mutter hatte sich in Helsinki vor die U-Bahn geworfen, nur einen Tag nachdem sie aus einem Urlaub zurückgekehrt war. Für Norma, die ohne Vater aufwuchs und bis zum Tod der Mutter ein fast symbiotisches Verhältnis zu ihr hatte, ein Schock.

Sofi Oksanen, Die Sache mit Norma
Die finnisch-estnische Dramaturgin und Schriftstellerin Sofi Oksanen auf der Frankfurter Buchmesse 2012. (Foto Lesekreis)

Nichts deutete darauf hin, dass die Mutter selbstmordgefährdet war. Und Norma, deren Leben unstet war, geprägt von wechselnden Beschäftigungsverhältnissen und nur seltenen Affären, bleibt zurück wie ein verlassenes Kind.

Im zuletzt erschienen Roman von Sofi Oksanen nimmt die Autorin den Leser mit auf die Suche nach Gründen für den mütterlichen Suizid. Und was zuerst wie eine Familientragödie beginnt, entblättert sich im Laufe der Geschichte zu einem Handlungsstrang voller Magie. Denn die Hauptfigur Norma hat selber ein Geheimnis. Ihre Haare wachsen am Tag einen Meter und scheinen selbst einen eigenen Kopf zu haben.

Die Sache mit Norma, Cover
Die Sache mit Norma.
(Kiepenheuer&Witsch)

Die Nachforschungen von Norma verstricken sie in die kriminelle Geschichte eines Clans, der weltweit mit dem Handel von Menschenhaar und Leihmutterschaft agiert, sowie in die Geschichte ihrer Familie, in der es bereits einmal eine Frau mit magischen Haaren gab. Zu viel Stoff für knapp 350 Seiten. Und es ist nur der Erzählkunst von Sofi Oksanen zu verdanken, dass, obwohl vieles in dem Roman oberflächlich angeschnitten wird, der Erzählfluss und Stringenz nicht leiden.

„Die Sache mit Norma“ ist Oksanens neuester Roman, der 2017 auch auf deutsch erschienen ist. Die 1977 geborene Autorin mit finnischem Vater und estnischer Mutter hat bislang fünf Romane veröffentlicht und mehrere Preise für ihre Werke erhalten.

Verglichen mit ihren früheren Werken, ist „Norma“ jedoch weder geschichtsgewaltig noch tiefgründig. Die Figuren im Buch bleiben vage. Der Spannungsbogen baut sich zu langsam auf. Und ich persönlich hätte mir gewünscht, dass Oksanen 200 Seiten mehr genutzt hätte, um die Geschichte rund um Norma und ihre Mutter zu erzählen.

Denn die Thematik der Leihmutterschaft, der Schönheitskult rund um Haarverlängerungen und auch die Beschreibung der kriminellen Strukturen wirken, so verkürzt, unecht und werfen Fragen auf.

Lesen lässt sich das Buch „Die Sache mit Norma“ dennoch wunderbar. Und wer ein wenig übrig hat für Krimis oder Magisches, dem möchte ich das neueste Werk von Sofi Oksanen empfehlen.

Allen anderen empfehle ich eines der früheren Werke dieser Autorin.

Die Sache mit Norma*
Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: Kiepenheuer&Witsch

Helena

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2 Comments
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Tarja
Tarja
20. Januar 2018 9:33

Oksanen ist ja bekannt für merkwürdige, verworrene Geschichten, die einen aber dennoch irgendwie einsaugen. Das ist sicher auch ihrer eigenwilligen Sprache geschuldet. Die neue Geschichte beginnt nachvollziehbar real und scheint dann ziemlich abzudriften. Trotzdem macht es Lust auf das neue Buch. Danke! 🙂

Helena
Helena
20. Januar 2018 12:26
Reply to  Tarja

Liebe Tarja,

Genau so ist es.

Oksanen hat hier auch ein paar gesellschaftskritische Fragen aufgeworfen zu unserem Schönheitskult.

Das Thema mit der Leihmutterschaft hätte sie für den Plot jedoch weglassen können. Denn es trägt zu dieser Geschichte nichts Wesentliches bei. Und das Thema hätte es verdient vielleicht mehr in den Mittelpunkt einer Erzählung gestellt zu werden.

Aber das ist jammern auf hohem Niveau. Sofi Oksanen ist nicht ohne Grund international erfolgreich mit ihren Romanen.

Danke für Deinen Kommentar

Helena